Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
ohne Unterbrechung weiter. Arnaut und Ermengarda folgten ihr.
    »He, du da! Lass dich mal anschauen!«, brüllte plötzlich einer der Männer hinter ihnen her.
    Ermengarda erstarrte. Als sie den Kopf wandte, pochte ihr das Herz bis in die Kehle, und die Knie waren plötzlich so weich, dass sie fürchtete, zu Boden zu taumeln. Jetzt hatte man sie erkannt, das Ende ihrer Flucht war gekommen. Neben sich spürte sie, wie Arnaut sich langsam umdrehte und seine Rechte den Dolchgriff hinter dem Rücken packte.
    Der Ältere der beiden Wachen war zwei Schritte näher getreten und deutete auf Ermengarda.
    »Nehmt ihr jetzt sogar Knaben in den Dienst?«, spottete er. »Der kann doch noch kaum einen richtigen Spieß halten.« Sein Gefährte lachte laut.
    Domna
Anhes funkelte die Männer ungehalten an. Dann nahm sie ihren Weg wieder auf und bedeutete ihren Begleitern ungeduldig, ihr zu folgen.
    »Hübsches Veilchen haben sie dir verpasst, mein Kleiner!« Ausgelassenes Gelächter ließ sich hinter ihnen hören. Ermengarda stand der Schweiß auf der Stirn. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sich vor Erleichterung zu bekreuzigen.
    Nach einer Weile, sie befanden sich inmitten von Gärten und Feldern, hielten sie an. Der Hauptweg machte eine Biegung nach rechts in Richtung Fluss, während ein kleiner Fußpfad weiter geradeaus zwischen wildwachsenden Büschen und kleinwüchsigen Kiefern verschwand. Hier versteckten sie die Körbe hinter dichtem Gebüsch.
    Trotz des schnellen Fußmarsches war
Domna
Anhes kaum außer Atem.
    »Hört zu. Eure Freunde werden irgendwann in der Nacht kommen und euch mit einem Boot über den Fluss setzen. Bis dahin müsst ihr euch verstecken. Haltet euch aber von der Vila Nova am Fluss fern. Dort würdet ihr nur auffallen. Wenn ihr diesem Pfad geradeaus folgt, so führt er euch zur Ruine der alten Arena.«
    Ermengarda nickte. »Ich kenne den Ort.«
    »Das ist euer Treffpunkt, verstanden? Ich, für meinen Teil, werde auf einem anderen Weg in die Stadt zurückkehren.«
    »Gott wird Euch lohnen, was Ihr heute für uns getan habt«, sagte Arnaut und beugte sich zum Kuss über ihre Hand.
    »Pass nur gut auf sie auf, junger Mann. Ich will sie gesund und munter wiedersehen«, erwiderte sie streng, aber nicht ohne ein Lächeln. Dann nahm sie den Umhang ab und legte ihn Ermengarda um die Schultern. »Was immer du vorhast, es wird gewiss ein schwerer Weg. Aber du bist ein Dickkopf wie dein Vater. Ich habe ihn immer verehrt, und er wäre heute stolz auf dich.«
    Sie umarmten einander, und Ermengarda küsste die ältere Frau ungestüm auf beide Wangen. »Danke für alles«, rief sie mit feuchten Augen. »Ich werde es dir nie vergessen.«
    »Gott segne dich, mein Kind.«
    Bevor jemand ihre Tränen sehen konnte, wandte sich
Domna
Anhes ab, und ohne sich ein weiteres Mal umzublicken, ging sie kerzengerade zurück in Richtung Narbona.
    ***
    Noch war es nicht Abend, es hatte nicht einmal zur Vesper geläutet, dennoch rückte die Stunde der feierlichen Heimführung der Braut unweigerlich näher. Unter den Feiernden mehrten sich die Rufe nach Ermengarda. Man wollte sie sehen in ihrem Festkleid und jungfräulichen Glanz. Besonders ungeduldig warteten die jungen
donzelas
von adeligem Blut, die selbst auf eine gute Verbindung hofften, denn die Braut an einem solchen Tag zu berühren, das brachte Glück und Segen.
    Doch plötzlich, so wie die ersten schleierdünnen Federwölkchen am blauen Firmament von schlechtem Wetter künden, begannen zaghafte Gerüchte die Runde zu machen. Nur erst ein Flüstern von Ohr zu Ohr, anfänglich noch mit zweifelndem Kopfschütteln begegnet, bis man es dann gleich von mehreren Seiten vernahm. Das erzeugte Unruhe in der Menge, entsetzte Blicke bei den einen, spöttisches Grinsen bei den anderen. Zunächst nur hinter vorgehaltener Hand, dann immer offener und frecher, verbreitete sich die unglaubliche Kunde vom
palatz vescomtal
über die Caularia und von dort bis in alle Winkel der Stadt. Dem Tolosaner Fürsten war die Braut weggelaufen! Da hallte es in allen Gassen vom schadenfrohen Gelächter der guten Bürger.
    Wie so oft im Leben waren es auch diesmal die Betroffenen, die als Letzte davon erfuhren. Hastig war eine Zusammenkunft im Empfangssaal der
vescomtessa
einberufen worden. Der Erzbischof, der Ermengardas festliches Geleit mit kirchlichem Segen hatte feiern wollen, war bereits im Ornat, als Domdechant Montbrun ihn rief und beide so eilig über den Marktplatz hasteten, wie es den Leibwächtern

Weitere Kostenlose Bücher