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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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geschickt, nachdem sie hier nichts gefunden haben.«
    »Und Raimon?«, fragte Arnaut. »Habt Ihr ihn gesprochen?«
    »Er weiß, wohin ich euch bringe. Sie werden euch finden, war seine Antwort.«
    Sie verließen die Kammer und schlichen die Hintertreppe hinunter. Der Festlärm drang immer lauter zu ihnen, aber sie begegneten keiner Seele, denn alle Dienstboten waren vollauf damit beschäftigt, für das Wohl der Gäste zu sorgen.
    Mit einem Mal blieb
Domna
Anhes abrupt stehen und legte den Finger auf die Lippen. Unten, auf dem Gang vor der Stiege, sahen sie die breiten Schultern eines Wachmanns. Obwohl er ihnen den Rücken zukehrte, erkannte Ermengarda in ihm eine jener Leibwachen, die sie regelmäßig zum Kloster Sant Paul begleiteten. Ihr Magen verkrampfte sich, denn sie war überzeugt, der Mann würde sie trotz Verkleidung sofort erkennen.
    Sie warteten. Es kam ihr schier endlos vor, aber endlich bewegte er sich, um seine Runde an anderer Stelle fortzusetzen. Zur Vorsicht harrten sie noch einen Augenblick aus, bis man sicher sein konnte, dass er sich entfernt hatte.
    Nun kam der schwierigste Teil des Weges.
    »Geht aufrecht, als ob ihr nichts zu verbergen hättet«, flüsterte
Domna
Anhes und machte es ihnen vor. Wie immer, mit strengem Blick, geradem Kreuz und erhobenen Hauptes stieg sie die Treppe hinab. Arnaut und Ermengarda folgten mit klopfenden Herzen.
    Die Stiege mündete in einen Gang, der die Küche mit dem Rest des Hauses verband. Bedienstete hasteten mit Speise und Trank an ihnen vorbei. Ermengarda wagte kaum zu atmen. Jeden Augenblick erwartete sie, dass jemand aufschrie und auf sie zeigte, waren ihr doch alle aus täglichem Umgang vertraut. Aber niemand achtete auf sie.
    Dann betraten sie die Küche. Hitze, Lärm und Bratendunst schlugen ihnen entgegen. Schwitzende Kochweiber mit fleischigen Armen mühten sich an klobigen Tischen, Knechte drehten vor dem riesigen Kaminfeuer Ferkel und ganze Lämmer am Spieß.
    Domna
Anhes marschierte voran, blickte weder links noch rechts. Einige schauten kurz auf, wunderten sich über die fremden Gesichter, die ihr folgten, doch das Wappen der Vizegrafen auf den
sobrecots
ließ die Neugierde schnell erlahmen. Was kümmerten einen die Wachen? Schließlich hatte man selbst kaum Zeit zum Schnaufen.
    Noch eine Treppe hinunter, und sie befanden sich in den kühlen Vorratsgewölben unter dem Palast. Hier lagerten Wein und Öl in großen Fässern, Kisten voller Äpfel, Rüben und Kohl, Schinken hingen von der Decke, Käse in Rädern aufgestapelt, säckeweise Mehl, Nüsse, Hirse. Auch an diesem Ort arbeitete Gesinde, aber wie zuvor schenkte ihnen kaum jemand einen Blick. Für Ermengarda, die es gewohnt war, ihr Lebtag lang von Höflingen und Bediensteten beachtet und verwöhnt zu werden, war es eine seltsame Erfahrung so unerkannt, ja fast gesichtslos durch den Palast zu wandern.
    »Jeder nimmt sich einen Korb«, befahl
Domna
Anhes und zeigte auf geflochtene Weidenkörbe, wie sie Marktfrauen benutzten.
    An der Rückwand des Gewölbes befanden sich ausgetretene Steinstufen, die sie erklommen. Sie wies nach oben, woraufhin Arnaut eine knarrende Falltür hochstemmte, dann standen sie in einem kleinen Innenhof, genau gegenüber einer Pforte in der Außenmauer des Palastes. Nichts war zu sehen außer Schubkarren, alten Fässern und aufgestapeltem Feuerholz.
    »Hier werden die Vorräte angeliefert«, sagte sie und holte ihr Schlüsselbund hervor. Sie entriegelte, steckte einen großen Schlüssel ins Schloss und zog die dicke, eisenbeschlagene Tür auf. Dann trat sie hinaus auf die Gasse und schaute sich um.
    »Niemand zu sehen. Kommt.«
    Nachdem sie die Pforte wieder sorgfältig verschlossen hatte, setzten sie ihren Weg fort. Unbehelligt durchschritten sie das Judenviertel,
Domna
Anhes voran, Arnaut als Letzter. Beide trugen sie brav ihre Körbe. Viele der Bewohner des Viertels grüßten ehrerbietig die wohlbekannte Hofdame, ihren beiden Begleitern schenkte man keine Beachtung.
    Als sie das an der Ostmauer gelegene Stadttor Sant Esteve erreichten, bemerkte Ermengarda erleichtert, dass nur zwei Bewaffnete der
militia urbana
am Torbogen herumlungerten. Sie schwatzten ausgelassen miteinander und achteten kaum auf die wenigen Leute, die durch das Tor gingen. Kunde von ihrer Flucht war also noch nicht bis hierher gelangt.
    »Gott zum Gruß,
Domna
Anhes!«, rief einer der beiden und hob freundlich die Hand, als sie vorübergingen, um das Tor zu passieren. Anhes nickte kurz und schritt

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