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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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können?
    »Du übertreibst«, versuchte er, die eigene Bestürzung darüber zu beschwichtigen. »Es war gewiss nur ein unglücklicher Zufall. Und der gute Erzbischof ist doch auf Alfons’ Seite. So schlimm, wie du es darstellst, kann es nicht sein.«
    Severin zog die Schultern hoch. »Ich sage nur, was ich denke.«
    Er goss sich von dem billigen Wein nach und trank ihn in einem Zug, wobei er sich schüttelte und eine Grimasse zog, als hätte er sich gerade Essig in die Kehle gegossen.
    »
Putan.
Das saure Gesöff frisst sich durch bis zu den Schuhsohlen!«
    Das Gute an Severin war sein umgängliches Gemüt und seine Unfähigkeit, lange einen Groll zu hegen oder in Trübsal zu verharren. Er versuchte erneut, sein widerspenstiges Haar zu bändigen, und begann, sich neugierig umzusehen. An einem Tresen im Hintergrund lungerten zwei bemalte Dirnen, die schon seit einer ganzen Weile, wie Raubtiere auf der Lauer, die beiden jungen Burschen beobachtet hatten. Severins fröhliches Grinsen schienen sie nun als Einladung zu verstehen, und mit glitzernden Augen und geschäftstüchtigem Lächeln lösten sie sich vom Tresen und setzten zum Angriff an.
    »Zwei hübsche Jungs und so ganz alleine«, gurrte die eine und ließ sich dicht neben Severin auf der Bank nieder. Der grinste unsicher, aber sein Arm schlang sich wie von selbst um die Hüften der blonden Hure. Ihre dunkelhaarige Partnerin winkte der Wirtin nach mehr Wein und hockte sich neben Arnaut, wobei sie ihm einen tiefen Blick in den Ausschnitt gewährte. Sie hatte in der Tat prachtvolle Brüste, bemerkte er trotz seiner Verlegenheit. Er hatte oft von Huren erzählen hören, aber jetzt so plötzlich auf Tuchfühlung neben einer Dame dieses Standes zu sitzen, das verschlug ihm die Sprache.
    Zwei weitere Becher und ein frischer Krug Wein erschienen auf dem Tisch. Severin entspannte sich zusehends und trank seiner neuen Freundin zu. Er hatte schon immer eine Schwäche für die Mägde gehabt, wie alle daheim wussten. Nicht so wie Arnaut, der in diesen Dingen schüchterner war. Die Schöne neben ihm zog seinen rechten Arm über ihre Schulter und schmiegte wollüstig den Busen an seine Seite. Dabei fasste sie sein Kinn und versuchte, ihn zu küssen. Gleichzeitig spürte er eine harte Hand auf seinem anschwellenden Geschlecht. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, hatten sich seine Finger um die fette Brust der Dirne gelegt. Unerwartet wild pressten sich rot verschmierte Lippen auf seinen Mund. Doch der saure Weinatem und der ranzige Schweißgeruch des Weibes widerten ihn plötzlich an.
    Er stieß die Hure von sich und sprang auf.
    »Komm, Severin. Wir gehen schlafen.«
    Er konnte nicht schnell genug aus der Reichweite der beiden Dirnen kommen und wartete ungeduldig an der Tür auf seinen Freund, der ihm zögerlich und maulend folgte. Verärgert streckten die Weiber ihnen die Zunge raus. Um noch eins draufzusetzen, rafften sie zum Vergnügen der anderen Gäste ihre Röcke hoch und streckten ihnen die nackten, runden Ärsche entgegen. »Wohl noch jungfräulich, was?« und »keinem rechten Weib gewachsen, die Kleinen!« und Schlimmeres hallte ihnen auf der Stiege unter gellendem Gelächter hinterher.
    Während Severin wenig später, auf die Seite gedreht, tief und fest schlief, lag Arnaut noch lange wach. Die frischen Eindrücke geisterten ihm im Kopf herum. Die Majestät der Stadtmauern, die verwirrende Vielfalt der engen Gassen, die vielen Menschen. Und immer wieder Bilder des Aufruhrs auf dem Marktplatz. Schließlich, trotz seines Abscheus, wich ihm auch die aufreizende Nacktheit der Dirnen unter den geschürzten Röcken lange nicht aus dem Sinn. Wie es wohl mit einem Weib wäre? War es Sünde, sich das vorzustellen?
    Er lag auf dem Rücken und beobachtete das Mondlicht, das seltsame Schatten auf die Wand warf, und lauschte dem Gegröle von Betrunkenen auf der Gasse und dem Knarren von Schiffstauen auf dem Kai gegenüber der Schenke. Was mochte Alfons für ein Mann sein? Jemand, dem man mit Ehre dienen konnte? Oder war Severins Misstrauen gerechtfertigt?
    Plötzlich spürte er wieder diesen eindringlichen Blick aus klaren, blauen Augen auf sich ruhen. Wie wäre es, einer wohlgeborenen
domna
zu dienen, so wie es die
trobadors
besangen? Aber das gab es gewiss nur in ihren Liedern. Trotzdem. Der Name gefiel ihm. Ermengarda.

Die Vescomtessa
    D ie Dächer der Nachbarhäuser glänzten vor Nässe im trüben Licht des nebelgrauen Herbstmorgens. Fröstelnd nahm Arnaut den Kopf aus der

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