Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Baumwolle ausgestopftes Wams, das dazu dient, die Wucht von Pfeil und Schwert abzufangen. Seines war noch neu und roch angenehm nach dem harten Rindsleder, aus dem die äußere Haut gefertigt war. Darüber kam der lange Kettenpanzer seines Großvaters, der im Gegensatz zu anderen mit der doppelten Anzahl Ringen versehen war. Ein altes und schweres Stück, dafür besonders sicher und bei Arnauts Größe und kräftiger Statur kein Nachteil. Zuletzt das leinene
sobrecot
in den Farben von Rocafort, dem roten Eber.
    Auch Severin war in voller Kampfausrüstung. Er trug die Waffen seines Vaters, ebenfalls ein
veteranus
des Krieges im Heiligen Land vor vielen Jahren. Als sie mit gegürtetem Schwert und Helm unter dem Arm vor die Tür der Herberge traten, fanden sie Jori, der auf einem zusammengerollten Tau auf dem Kai hockte und auf sie gewartet hatte. Der sanfte Regen hatte aufgehört.
    »Warum in Waffen, Herr?«, fragte Jori. »Es ist längst überall wieder friedlich.«
    »Stell keine dummen Fragen. Führ uns lieber an einen Ort, wo man Besseres zu beißen kriegt als in der Spelunke hier.«
    Dieser Ort entpuppte sich als lo Borcs beliebteste Backstube, am Marktplatz gelegen und so voller Menschen, dass eine Schlange bis auf die Straße reichte. Darunter waren Mönche, Handwerker und Kaufmannsgehilfen, aber in der Hauptsache Bürgerinnen mit Korb am Arm und Kindern an der Schürze, die verstohlen und aufgeregt flüsternd den gestrigen Vorfall in der Stadt beredeten. Als ein Tolosaner Wachmann hinzutrat, verstummten sie und beäugten ihn feindselig. Auch Arnaut und Severin in ihrer Kampfausrüstung zogen misstrauische Blicke auf sich.
    Bei Joris Anblick bekam die Bäckerin einen roten Kopf und wollte ihn aus dem Laden scheuchen. Doch Arnaut legte dem Jungen die Hand auf die Schulter, was den zweifelhaften Eindruck, den sie bei den Leuten machten, noch zu verstärken schien. Sie kauften ofenfrisches Weißbrot, selbst für Arnaut keine alltägliche Speise, und eine heiße Pastete mit Hasenfleischfüllung. Damit setzten sie sich an den Brunnen mitten auf dem Platz und ließen es sich schmecken.
    »Hast du die Bäckerin etwa bestohlen?«, fragte Severin den Jungen. »Oder warum ist sie so wütend auf dich.«
    Der zuckte gleichmütig mit den Schultern. Zum Reden war sein Mund zu voll.
    »Hast du keine Eltern?«
    Kopfschütteln war die Antwort.
    »Und wer kümmert sich um dich?«
    »Ich komme allein zurecht«, erwiderte der Junge trotzig, nachdem er heruntergeschluckt hatte.
    »Mit Stehlen, wette ich!«
    »Lass ihn«, sagte Arnaut und leckte sich die Finger ab. »Wo ist der
palatz
des Grafen?«
    Jori zeigte auf das große Haus nahe der Wehrmauer, vor dem zwei
pezos
mit langen Speeren standen.
    Arnaut fragte sich, ob er den Grafen selbst antreffen würde. Bei dem Gedanken zog sich ihm der Magen zusammen, und das soeben verzehrte Mahl hing wie ein Klumpen Blei in seinem Bauch. Schließlich war Alfons Jordan der mächtigste Fürst des ganzen Landes. Was sollte er ihm sagen? Er fühlte sich wieder wie der kleine Junge, der vor dem bissigen Hofhund Reißaus genommen hatte. Sein Vater hatte ihn wütend einen verdammten Feigling genannt. Ein Ritter habe keine Angst zu haben. Und zu essen gebe es erst, wenn er ihm das Halsband des Köters bringen würde. Dem Gesinde wurde verboten, zu helfen. Stundenlang hatte er sich in der Scheune versteckt und seinen Vater gehasst. Ein Ritter hat keine Angst zu haben. Am Ende hatte er sich getraut, dem Untier vorsichtig einen Knochen hinzuwerfen, hatte ihn gestreichelt und ihm das Halsband abgenommen. Ein Ritter hat keine Angst zu haben.
    Arnaut machte seinen Gefährten Zeichen, auf ihn zu warten. Dann schritt er betont gemächlich über den Platz.
    Nachdem er den Wachen sein Anliegen genannt hatte, gewährten sie ihm Zutritt zum Innenhof, in dem sich Krieger drängten, die ausnahmslos das Tolosaner Wappen auf
sobrecot
oder Lederwams trugen. In der Mehrzahl Fußsoldaten, aber auch einige
soudadiers,
berittene Söldner, die man an ihren langen, vorn und hinten geschlitzten Waffenröcken erkennen konnte. Gespräche verstummten, und neugierige Blicke folgten ihm, als er betont gemessenen Schrittes die Treppe zur Eingangshalle emporstieg in der Hoffnung, man würde ihm sein Herzklopfen nicht anmerken. Auch vor dieser Tür standen Wachen, aber sie ließen ihn ohne weitere Prüfung eintreten.
    Kaum über die Schwelle, blieb Arnaut stehen und sah sich um. Außer einem lebhaften Kaminfeuer im Hintergrund war

Weitere Kostenlose Bücher