Die Comtessa
Fensterluke und streifte sich die Beinkleider über. Severin mochte er nicht wecken, und so schlich er auf nackten Füßen die Stiege hinunter.
In der Schankstube regte sich frühes Leben. In der hinteren Hälfte lagen noch Schläfer in Decken gerollt, als könne sie der Morgenlärm der Schankweiber nicht anfechten. Wahrscheinlich noch zu betrunken, um überhaupt etwas wahrzunehmen. Im vorderen Teil des Raumes hockten Hafenarbeiter auf Bänken und verzehrten wortkarg ihr Morgenmahl. Die meisten löffelten einen dicken Brei in sich hinein, begleitet von einer Zwiebel oder einer Handvoll Oliven. Andere aßen gebratenen Speck und dunkles Brot, das sie in heißes Bratfett tunkten. Der säuerliche Geruch des Dünnbiers, das die Mägde ausschenkten, und der beißende Kochdunst aus der Küche verhießen nichts Gutes. Obwohl ihm der Magen knurrte, schwor Arnaut, für heute auf die Kochkünste der Wirtin zu verzichten.
»Über den Hof, junger Mann«, wies ihm eine alte Magd den Weg zum Abort. »Gepisst wird in den großen Bottich daneben, hörst du?« Auf seinen verständnislosen Blick fügte sie hinzu: »Bringt bares Geld bei den Gerbern.« Mit ungeduldigem Kopfschütteln über seinen Unverstand wandte sie sich ab, um einen Humpen Bier zu füllen.
Während er in den stinkenden Bottich pinkelte, überfiel ihn ein plötzliches und heftiges Heimweh. Die Fürsorge der Mutter war ihm oft lästig gewesen, aber nun wünschte er sich nichts lieber, als wie gewohnt im Kreise der Geschwister und Vertrauten seiner
familia
ein herzhaftes Morgenmahl einzunehmen. Und dann der Anblick der Toten gestern. Fast bereute er die Reise nach Narbona.
Das nasskalte Wetter verstärkte die düstere Stimmung, und er floh in die Wärme des dunklen Stalls, um nach den Pferden zu sehen. In einer Ecke, wo er ihn versteckt hatte, fand er den kleinen Sack Hafer für seine Lieblinge.
Der braune Wallach Basil drehte ihm als Erster den Kopf zu und bedachte ihn mit einem tiefgründigen Blick aus dunklen Augen. Er war ein ruhiges, verlässliches Tier, von kräftiger Statur und ausdauernd. Arnaut strich ihm über die Flanken und hielt ihm eine Handvoll Körner hin. Severins Stute reckte neugierig den Kopf über den Widerrist des Wallachs und blies ihm ungeduldig ins Gesicht, bis er auch ihr eine Handvoll Hafer anbot.
Die Pferde waren aus dem Gestüt des alten Hamid, Großvaters maurischem Freund. Sechs prachtvolle arabische Pferde hatten sie vor dreißig Jahren aus Outremer mitgebracht und damit den Grundstock der Zucht gelegt. Hamid gab für gewöhnlich allen Fohlen arabische Namen. Arnauts Hengst hieß Amir, was so viel wie Prinz bedeutete. Und stolz wie ein Prinz war er wirklich. Weil Arnaut ihn nicht zuerst begrüßt hatte, hielt Amir beleidigt den Kopf abgewandt und tat, als habe er ihn nicht bemerkt. Selbst den Hafer verachtete er, bis Arnaut ihn zwischen den Ohren kraulte und ihm Koseworte zuflüsterte. Dann endlich ließ er sich herab, ihm aus der Hand zu fressen.
Seit drei Jahren ritt er den Hengst täglich und liebte ihn mit all seinen Eigenarten. Und von denen hatte er wahrlich genug und konnte sich, wenn es ihm passte, wie ein bockiger Eigenbrötler benehmen. Das Maultier, zum Beispiel, mochte er gar nicht, und sie mussten es von ihm fernhalten. Dennoch konnte Arnaut sich kein besseres Schlachtross vorstellen, denn der Hengst war schnell und ausdauernd und hatte das Herz eines Löwen. Arnauts Hände spürten die starken Muskeln unter dem Fell. So niedergeschlagen er noch vor wenigen Augenblicken gewesen war, die Wärme und der vertraute Geruch der Pferde vertrieben den Trübsinn.
Er war bereit, das gestrige Erlebnis nicht so ernst zu nehmen. Hatte der Pöbel nicht zuerst mit Steinen geworfen? Die Lage war einfach außer Kontrolle geraten, niemand hatte es so gewollt, am wenigsten Alfons. Gleich nach dem Morgenmahl würde er den
secretarius
des Grafen aufsuchen, um sich zum Heerdienst zu melden.
Er griff nach einer Heugabel und gab den Tieren frisches Futter zu fressen, dann ging er, um Severin aus dem Bett zu werfen. Verregnet oder nicht, es war Zeit, etwas Nützliches mit dem Tag anzufangen.
Die beiden jungen Männer rüsteten sich sorgfältig, denn Arnaut wollte einen guten Eindruck machen. Über das wollene Unterhemd zog er eine saubere Leinentunika. Gepanzerte Beinlinge und die schweren, mit Sporen bewehrten Reiterstiefel. Dann wuchtete er das knielange, vorn und hinten geschlitzte
gambais
über den Kopf, ein dickes, gestepptes und mit
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