Die Containerfrau
wusste sie, Fürsorge und Pflege ihrer Wunden bedeuteten nichts weiter, dass er sie bald zur Prostitution einsetzen wollte. Aber auch das passierte nicht. Es kamen keine Kunden. Nur er ab und zu. Sie wehrte sich nicht, hatte irgendwie das Gefühl, es ihm schuldig zu sein. Er war weder brutal noch zärtlich. Er fickte sie einfach nur. Leerte sich aus. Aber nie in sie hinein, es wurde in hauchdünnem Gummi gesammelt. Und verknotet und in den Müll geworfen.
Ganz hinten im Zimmer gibt es eine Tür. Hinter dieser Tür kann sie stundenlang stehen, bis er kommt und sie herausbefiehlt. Dann dreht er das Wasser ab und schläft mit ihr. Sie liebt diesen kleinen Raum: die Kloschüssel, die alles wegspült, die Dusche mit dem herrlich heißen Wasser, Shampoo und Cremes, die er ihr gibt. Aber sie schaut nie in den Spiegel, der dort hängt. Oben in der Wand hat sie ein Viereck entdeckt, es ist mit Klebeband umgeben. Daneben ist der Ventilator angebracht, der sich immer einschaltet, wenn sie den Raum betritt. Wenn sie das Klebeband abzupft, flutet das Tageslicht ins Zimmer. Sie weicht zurück, blind und geblendet, klebt das braune Band wieder fest. Flüchtet sich unter die Decke, zieht sie sich weit über den Kopf.
Eines Nachts, oder war es am Tag?, wird sie von lauten Stimmen geweckt. Männerstimmen. Sie klingen wütend, sie hört Andrejs Stimme heraus, auch er scheint wütend zu sein. Das macht ihr Angst. Sie weiß, dass hier von ihr die Rede ist, dass die anderen sie los sein wollen. Aber als er hereinkommt und sich ins Bett legt, ist er so wie immer. Und dann schläft er ein. Schnarcht.
Bisher ist er danach noch nie bei ihr liegen geblieben. Sie hat Angst. Etwas passiert. Etwas wird bald passieren. So leise sie kann, steht sie auf, bleibt mitten im Zimmer stehen und verspürt nur Angst. Lautlos, ohne zu atmen, nähert sie sich der Tür, drückt auf die Klinke, vorsichtig, ganz vorsichtig. Die Tür ist nicht verschlossen. Und das Zimmer davor ist menschenleer, halbdunklel und ohne einen einzigen Menschen. Nur eine Bierreklame über dem Tresen leuchtet. Sie versucht es mit der ersten Tür. Die ist verschlossen. Dann noch eine. Auch die ist verschlossen. Doch ganz hinten findet sie noch eine Tür. Die führt in ein Lager. Dort sind Bierkästen aufeinander gestapelt, leere und volle Limokästen, Chaos und Dreck und eine dröhnende Tiefkühltruhe. Die ist groß genug für einen Menschen. Und dann ist Schluss. Keine weiteren Türen oder Fenster. Sie schleicht sich zurück, geht leise ins Dusch- und Klozimmer, setzte sich auf den Deckel und fragt sich, wie schmal sie sein müsste, um sich durch die Öffnung hinter dem braunen Klebeband hindurchzuzwängen. Sehr schmal. Ein Schlangenmensch. Hoffnungslos.
Er grunzt ganz leise im Schlaf, als sie sich vorsichtig hinter seinen Rücken legt. Aber der Schlaf will nicht zu ihr kommen. Sie bleibt wach liegen. Spürt einmal, dass er aufsteht, sich anzieht. Unten an einer Sockelleiste einen kleinen Leuchtpunkt einschaltet.
Das Nächste, was er tut, lässt sie vor Schreck erstarren. Er zieht einen Revolver hervor, eine Pistole, eine Schusswaffe, und spielt eine Weile damit herum. Dann holt er etwas, das sie für Patronen hält. Ihr liegt ein Schrei auf den Lippen, ein Geheul, das um Gnade fleht. Aber er zielt nicht auf sie. Er kehrt ihr den Rücken, macht sich an der Wand zu schaffen, schiebt lautlos das Regal beiseite, in dem CD-Gerät und CDs aufbewahrt werden, löst einen Stein aus der Wand und wirft Waffen und Kugeln in einen Hohlraum. Sie atmet so ruhig, wie nur Schlafende das können, als er sich umdreht, um sich davon zu überzeugen, dass sie schläft. Dann geht er.
Sie hört, wie der Schlüssel im Schloss herumgedreht wird.
11
Anne-kin kann gerade noch zum Hörer greifen, ehe ihr Anrufbeantworter sich einschaltet. Als sie auflegt, hat sie eine tiefe Furche in der Stirn. Dann wählt sie Stein-Jørgens Nummer und streift dabei mühsam ihren Mantel ab.
»Du musst mir einen Gefallen tun, Stein-Jørgen«, sagt sie ohne irgendeine Einleitung.
»Bitte, heißt das«, hört sie am anderen Ende der Leitung.
»Eben hat ein Informant angerufen …«
»Das heißt Denunziant«, fällt er ihr ins Wort.
»Und der meinte, ich solle eine Flasche Schnaps einstecken und ihn da aufsuchen, wo er haust.«
»Und das ist?«
»Der Wald. Bymarka. Unter einem Damm. Er hat sich einen Bau angelegt wie ein Biber. Ich war schon mal dort.«
»Mit Schnaps?«
»Mit Schnaps.«
»Und mit Sundts
Weitere Kostenlose Bücher