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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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    Sie sagt »bis dann« zu ihren Bürowänden und fährt nach Hause.
    Hält vor dem Haus in Øvre Møllenberg und mustert neidisch aus dem Augenwinkel heraus eine Bande von fröhlichen Leuten auf dem Weg in die Stadt. Der eiskalte Wind ist Geschichte, ist ein Fall von »es war einmal«, vor langer Zeit und vielen Kreidestrichen. Jetzt ist der Trondheimer Abend lau und angenehm, prachtvoll und wie geschaffen für »amore«. Indian Summer.
    Plötzlich sehnt sie sich nach Stein-Jørgen. Beim Gedanken an ihre Begegnung auf weichem Moos, Ameisen und Tannennadeln in Bymarka prickelt es ihr im ganzen Leib. Sie wünscht sich eine Wiederholung. Mit glücklichem Grinsen schließt sie die Haustür auf und läuft die Treppen hoch. Vielleicht findet ihr Liebster diese Idee ja auch gut. Sie wiederholt in Gedanken seine Privatnummer, zieht den Schlüssel aus der Tasche, will ihn ins Schlüsselloch stecken. Und hält inne. Horcht. Jemand steht hinter ihr. Sie hört Atmen. Lächelt glücklich. Stein-Jørgen, denkt sie, du bist wirklich ein toller Gedankenleser. Anne-kin fällt aus purer Geilheit der Schlüssel aus der Hand. Die nächsten Stunden … ihr Körper zittert … Mmm …

25
    Stein-Jørgen übertreibt, der Finger, den er in ihren Nacken presst, ist weder liebevoll noch lüstern. Er tut weh.
    »Jetzt reicht’s«, sagt sie und bückt sich nach dem Schlüssel. Etwas trifft sie unten im Kreuz, presst heftig gegen Nieren und Innereien. Sie wird sauer. Stößt die Hand nach hinten und will ihm Manieren »the hard way« beibringen. Aber sie hat danach nicht das Erwartete in der Hand, kein geiles Geschlecht, keine steinharten Eier, nichts, was verrät, dass hinter ihr ein Mann steht. Sie registriert nur Jeans und einen Reißverschluss, die beide mit ihren eigenen Ähnlichkeit haben. Hinter ihr steht eine Frau.
    »Do not muve«, hört sie. Anne-kin Halvorsen »muvt« nicht, sie bleibt stocksteif stehen und lässt ihr Gehirn blitzschnell ihre Bekanntenliste durchgehen, die Liste ihrer weiblichen Bekanntschaften. Wer kann sie denn auf diese Weise überraschen wollen?
    »Do not muve«, hört sie noch einmal. Und jetzt dämmert es ihr.
    »Der ›Spatz‹«, flüstert Anne-kin und wird unerwartet und brutal durch die Tür gestoßen. Ist total überrumpelt. Liegt in ihrer Diele auf dem Rücken, schaut in den Lauf einer Smith & Wesson, starrt ein niedliches, praktisches kleines Eisenteil an, das sie lieber ernst nehmen sollte. Und über dem niedlichen kleinen Eisenteil sieht sie das Gesicht des »Spatz«. Wunden und Schwellungen aus ihrem Gesicht sind mehr oder weniger verschwunden, ihre Hände, die den Revolver umklammern, sind noch immer von Krusten bedeckt. Sie ist schön. Schön auf mädchenhafte Weise. Ganz ohne Schminke und Make-up, hohe Wangenknochen, blaue Augen mit langen Wimpern, schmales Kinn, rosa Babymund. Und sie ist unbehaglich bleich. Bleich ist sie und der Ausdruck ihrer Augen verzweifelt. Ihr Blick trifft Anne-kin mitten ins Zwerchfell. Der Ausdruck in den Augen des »Spatz« kommt ihr härter vor als die Revolvermündung, die gegen ihre Schläfe gepresst wird. Kommissarin Halvorsen liegt der Länge nach auf dem Fußboden ihrer Diele, einem Dielenboden ohne Flickenteppiche oder Kram, nur Holz hat sie im Rücken, sie liegt da und schaut hoch in ein Gesicht, das zwischen Irrsinn und Normalität hin und her schwankt. Das Schattenspiel, das über das Mädchengesicht über ihr huscht, ist einfach unheimlich. Der Revolverlauf wandert auf und ab, hin und her. Von Schläfe zu Brust, zu Bauch, Geschlechtsorganen, zurück zu Brust, Herz, Schläfe. Zu Anne-kins Schläfe, Brust und Herz.
    »Sorry«, hört sie. »I do not like. Sorry.«
    Kommissarin Halvorsen hält den Mund, liegt auf dem Holzboden ihrer Diele und hält den Mund. Bewegt nicht einen einzigen Muskel, Über ihr steht eine Bombe, etwas, das unter hartem Druck steht, ein Zeitzünder, den sie nicht provozieren will. Ein verfolgter Mensch voller Angst, der zu allem Überfluss eine tödliche Waffe zwischen den Händen hält. Anne-kin bleibt ganz still liegen.
    »Please stay up?« Die Stimme klingt leise und dünn. Annekin erhebt sich mit langsamen, ungeheuer langsamen Bewegungen. Stützt den Ellbogen auf die Bretter und richtet sich auf.
    »Do not muve!« Die Frau über ihr hat wieder ihre Pose geändert, jetzt ist sie Modesty Blaise und hat die Kammer voller Kugeln.
    »Go there!« Sie nickt zum Wohnzimmer hinüber. Anne-kin steht auf.
    »Go there!« Noch ein Nicken zu

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