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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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ihrem Schreibtisch hinüber.
    »No telephone!«, faucht die andere. Herrgott, denkt Annekin Halvorsen. Noch ehe ich den Hörer abgenommen habe, Herzchen, hast du schon deine ganze verdammte Waffe leer geschossen. So ein Risiko gehe ich nicht ein, kapiert?
    »You can help me not?« Die Augen, die sie ansehen, sind deutlicher als ihre zweideutigen Worte.
    »You need help«, sagt Anne-kin leise. Die andere nickt.
    »But tell me, please, who are you?« Eine schlimmere Frage hätte sie offenbar nicht stellen können. Anne-kin sieht eine Frau, die sich ganz schnell verwandelt. Von Angst und Verzweiflung zu knallhartem Griff um den Revolver.
    »You mine!«, heult die. »No fuck around! Understand!«
    Ohne die real existierende Smith & Wesson hätte Kommissarin Anne-kin Halvorsen jetzt gegrinst, richtig hämisch gegrinst. Dann hätte sie nur auf den Ausschaltknopf des Fernsehers gedrückt, mit all seinem Dreck, der nach Schlafenszeit aus einer fast wie im wirklichen Leben-USA serviert wird. Komprimierter Dreck und Scheiß. Als Einschlafmärchen ausgestrahlt ins traute Heim, mit den allerbesten Wünschen zur guten Nacht und wir melden uns morgen wieder um … Aber diese Parodie einer Soap spielt sich leider in ihrem eigenen Wohnzimmer ab. Sie hebt die Hände, um ihren guten Willen unter Beweis zu stellen.
    »Sit!«, sagt die andere und reißt den Telefonstecker aus der Wand.
    Sie ist flink wie ein Hermelin, als sie auch die Stecker von Faxgerät und Anrufbeantworter erledigt. Die ganze Zeit richtet sie dabei ihre Waffe auf Anne-kin. Der Schreibtischstuhl kommt ihr unbequem vor, ihr ganzes Dasein kommt ihr verdammt unbequem vor. Sie sieht, wie sich der »Spatz« ihr gegenüber in ihren Musiksessel setzt. Der scheint offenbar zu tief und zu niedrig zu sein, die Kleine strampelt mit den Füßen und plötzlich steht einer der sechs Esszimmerstühle im Zimmer. Auf den setzt sich nun der »Spatz«. Sie sitzt auf der Stuhlkante und mustert Anne-kin. Die Entfernung zwischen ihnen lässt keinerlei Gedanken an Angriff oder Entwaffnung zu. Der »Spatz« hat sich strategisch geschickt hingesetzt. Und da sitzen sie nun und sehen einander an. Keine sagt etwas. Zweimal öffnet der »Spatz« den Mund, will etwas sagen. Klappt ihn dann aber gleich wieder zu.
    Anne-kin macht einen Versuch. Zwei- oder dreimal macht sie einen Versuch eine Art Gespräch in Gang zu bringen. Was ihr nur ein verzweifeltes »Shut up« einbringt. Sie versteht. Hält die Klappe.
     
    Wie viele Stunden sind inzwischen vergangen? Zwei. Die Wanduhr erzählt, dass zwei Stunden ihres Lebens verstrichen sind, in denen sie kaum mehr gemacht haben, als dort zu sitzen. Schweigend. Die Wände angestarrt haben. Kommissarin Halvorsen zumindest. Sie starrt die Wände an, einen Punkt ein wenig links vom »Spatz«, zwischen Fenster und Wand. Aus dem Augenwinkel sieht sie die ganze Zeit die Kleine, die ihrerseits Anne-kin anschaut. Zwei Stunden lang. Und dann hat Anne-kin so langsam genug.
    »How can I help you«, fragt sie, ohne Mädchen oder Waffe anzusehen. Keine Antwort. Aber hinter der Stirn des »Spatz« arbeitet es, es arbeitet dort schon seit zwei Stunden ununterbrochen. Noch einige Minuten vergehen. Dann wird sie hochbefohlen, die andere zeigt mit dem Revolverlauf, dass Annekin in die Diele gehen soll. Dort öffnet der »Spatz« eine Schranktür, die des Kleiderschranks und sagt: »In!« Der Schrank ist voll gestopft mit Mänteln und Rucksäcken, Reisetaschen und Schuhen. In dem ganzen Gewühl ist nicht mehr viel Platz für einen Menschen.
    »In!«, wiederholt der »Spatz« und plötzlich begreift Kommissarin Halvorsen, was hier los ist. Aus dem Augenwinkel sieht sie, dass die andere ihre Oberschenkel zusammenkneift wie ein kleines Mädchen, das dringend aufs Klo muss. Das entscheidet die Angelegenheit. Kommissarin Halvorsen steigt brav in ihren Kleiderschrank und lässt die andere in aller Ruhe pinkeln. Durch die geschlossene Tür hört sie das Plätschern von der Toilette. Dann wird die Schranktür geöffnet und sie wird heraus und zurück auf ihren Schreibtischstuhl befohlen.
    Der »Spatz« hat offenbar einen Entschluss gefasst.
    »You fix«, sagt sie und zeigt auf den Kabelsalat auf dem Boden.
    »Fix telephone.« Anne-kin »fixt«. Schiebt Stöpsel und Stecker in die richtigen Löcher und setzt sich wieder auf den Stuhl.
    »Now it’s okay«, sagt sie.
    »Phone your boss«, hört sie. Stutzt. Was meint die Kleine?
    »My boss is not at work now«, erwidert sie.
    »Phone

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