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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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großer Entfernung zwischen sich und Anne-kin nimmt der »Spatz« einen Platzwechsel vor. In der einen Hand hält sie die Waffe, in der anderen den Telefonhörer. Und nun redet sie, redet eine Sprache, bei der es sich für Anne-kins Ohren wirklich um jede osteuropäische Sprache handeln kann. Endlich, denkt sie, endlich passiert etwas. Der »Spatz« stellt offenbar eine Frage. Miene und Mimik weisen darauf hin, dass es sich um eine Frage handeln muss. Dann hört sie zu, lange. Und plötzlich verändert sich ihr Gesicht, zuerst zeigt es Zorn, dann Angst.
    »Wrong, wrong, wrong!«, ruft sie und lässt den Hörer fallen, und mit zitternder Mündung, die auf Anne-kin zeigt, weicht der »Spatz« rückwärts vom Telefon zurück. Mit kalkweißem Gesicht.
    »Speak you«, flüstert sie. »Tell your boss wrong man! «
    Anne-kin hebt langsam den Hörer hoch, sieht, wie der »Spatz« um Atem ringt, hört sie flüstern: »Bad, bad man. Business.«
    »Dein Dolmetscher ist verworfen worden, Sundt«, sagt sie leise. Riskiert es, Norwegisch zu sprechen. »Er hat ihr eine Höllenangst eingejagt. Kannst du eine Studentin besorgen? Eine, die Russisch und Norwegisch spricht? Eine Frau?«
    »Ja«, antwortet ihr Chef. »Aber das dauert seine Zeit. Wie geht es sonst, geht es … geht es sonst gut?«
    »Okay«, antwortet sie und legt auf. Schaut zu der schmächtigen Frau hinüber, die jetzt fast schon mit den Zähnen klappert.
    »Yes, my boss will fix another. A student, a woman.«
    »Thanks«, antwortet ein ganz dünnes Stimmchen. Und dann erbricht der »Spatz« sich. Es quillt nur so aus ihr heraus. Grüne Kotze und ausgiebiges Würgen. Sie schaut es nicht einmal an, lässt es einfach fließen, achtet nicht darauf. Sie sieht nur Annekin an. Zielt und sieht. Anne-kin bewegt sich nicht. Lässt die andere in Ruhe kotzen. Hört zwischendurch eine Stimme, die sagt: »Do not muve.« Wenn die Russin oder was zum Henker sie nun sein mag, bisher gefährlich war, so ist sie jetzt mehr als verzweifelt. Unberechenbar für sich selbst und für ihre Umgebung. Angst in Verbindung mit Verzweiflung ist schlimmer als eine Landmine. Anne-kin setzt ihre Füße nicht vorsichtig auf. Sie setzt sie überhaupt nicht auf. Lässt die undetonierten Landminen in Ruhe liegen.
    »Sorry«, hört sie. Schaut in ein totenblasses kleines Mädchengesicht. Die andere sieht aus, als müsse sie in der Ecke stehen.
    Ja, sorry. Aber deine Kotze kann liegen bleiben, »Spatz«, denkt Anne-kin, die stinkt nicht ärger als die im Container, in dem ich dich gefunden habe. Und wenn du aufs Klo musst, dann kannst du das elegante Manöver von vorhin wiederholen. Und mich in den Garderobenschrank einsperren.
    »Just wait«, murmelt der »Spatz« und wischt sich mit der freien Hand den Mund ab.
    Ja, denkt Kommissarin Halvorsen, wir können uns wohl auf ein paar weitere Stunden Warterei gefasst machen. Und weiß der Himmel, wo Sundt die Person auftreiben soll, die sie ihr versprochen haben, eine russischssprechende Frau, die durch eine Telefonleitung die richtigen Vibrationen aussenden kann.

27
    Sie sind beide nicht gerade gut gelaunt, die beiden Männer, die in Sundts Büro sitzen. Sundt ist zielstrebig und sauer. Der andere gestikuliert und ist sauer.
    »Tut mir Leid, Herr Bussni«, sagt Sundt. »Aber sie will nicht mit Ihnen sprechen. Tut mir Leid.« Der andere breitet die Arme aus, sein eleganter Anzug spannt über den Schultern.
    »Ja, aber warum nicht«, ruft er. »Warum? Wer ist sie, was will sie, warum will sie nicht mit mir sprechen? Ich verlasse meine Firma und begleite die Polizei, die meine Dienste wünscht, ja? Ich tue meine Pflicht. Und dann, dann sagt der Herr Kommissar …«
    »War sie Russin?« Sundt schneidet seinen Wortschwall einfach ab. »Haben Sie sie verstanden?«
    »Nein, nein, ich verstehe nicht. Zuerst soll ich kommen. Dann soll ich gehen.«
    »Ja, aber haben Sie verstanden, was sie gesagt hat? Ihre Sprache?« Sundt buchstabiert geradezu für den Mann, der vor ihm steht. Sie starren einander an. Die beleidigte Miene des anderen verschwindet und weicht einer Art Hochmut. Er schnippt mit den Fingern, wirft das Schnippen über seine Schulter.
    »Hafenratte. Sie redet wie eine Hafenratte.«
    Dann sieht Sundt zu, wie der elegant gekleidete Mann auf dem Absatz kehrtmacht und unter vielen Verbeugungen das Büro verlässt.
    »Bringen Sie ihn zum Ausgang«, sagt Sundt zu dem Beamten, der bei der Tür gestanden hat. Und dann macht er sich über das Telefon her, holt alle

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