Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
Vom Netzwerk:
Stein zu Stein hüpfen und über das Dach spazieren können, ohne zu ahnen, dass es sich um ein Dach handelt. Wenn sie nicht über dieses anonyme Rohr gestolpert wäre, das der Kate als Schornstein dient.
    »Schießunfall«, hört sie Sundt fragen. »Sie glauben also, dass es sich um einen Schießunfall handelt?« Die Jäger bejahen.
    »Er lehnte an der Wand, wie gesagt, auf der Pritsche, das Gewehr am Fuß, der Lauf zeigte nach oben, auf …«
    »Lehnte an der Wand! Haben Sie ›lehnte an der Wand‹ gesagt? Warum liegt er denn jetzt auf dem Boden?« Sundt schaut durch die Türöffnung. Seine Stimme verheißt nichts Gutes. Er versperrt den Weg, doch über seine Schulter hinweg kann Anne-kin auf dem Boden eine dunkle Gestalt ahnen. Die liegt ausgestreckt auf dem Rücken. »Wir mussten doch Wiederbelebungsversuche unternehmen, zum Teufel«, der Jüngere klingt aggressiv. Sundt dreht sich langsam um.
    »Genau«, sagt er leise und eiskalt. »Und deshalb haben Sie die Waffe entfernt, haben sie an die Wand gelehnt, haben den Mann hochgehoben, ihn auf den Boden gelegt und dann die von Mund-zu-Mund-Beatmung versucht. Haben Sie auch Herzmassage gemacht? Oder hat sein Brustkasten zu stark geblutet?« Kommissarin Halvorsen sieht aus dem Augenwinkel heraus, dass der Ältere seinen Patzer begreift, dass ihm aufgeht, welches Beweise vernichtende Vergehen sie hier begangen haben. Er räuspert sich unsicher: »Das war vielleicht nicht gerade klug von uns«, sagt er ziemlich kleinlaut. »Aber wir … ja, wir haben nicht so weit gedacht … Wir wollten ja nur … für den Fall …« Er weiß nicht mehr weiter. Sie hört ihren Chef tief seufzen. Er wird keinen älteren Mann zusammenstauchen, bei dem das Herz sich früher zu Wort gemeldet hat als die Vernunft. Aber es wird eine anstrengende Rekonstruktionsarbeit werden. Sundt lässt niemanden in die Kate. Er schaltet eine gewaltige Taschenlampe ein, weiß Gott, wo er die her hat, denkt Anne-kin, und sieht, wie der Lichtschein das seltsamste Zimmer erhellt, das sie je gesehen hat. Es muss der Wunschtraum jeden Waldläufers und jeden Jägers sein, rau und übersichtlich, rundum maskulin, Feuerstelle, Bänke, Kaffeedose, Töpfe und Pfannen, Tassen, Steinfußboden und Wände, zwei verglaste Fensterchen, Kerzen und Streichhölzer. Wassertank und Waschschüssel. Durch und durch praktisch. Aber der Geruch, der durch die Türöffnung strömt, ist nicht gesund. Es riecht süß, aromatisch. Es riecht nach Blut. Dann lässt Sundt die Leute von der Technik herein, sonst niemanden. Die beiden Jäger werden draußen vernommen, ein Krankenwagen ist schon angefordert. Vang wird zum Parkplatz geschickt, um ihm den Weg zu zeigen.
     
    Es wird jetzt dunkel. Das Licht verschwindet vom Waldboden und wandert immer weiter nach oben in Richtung Baumwipfel. Am Ende liegt der Wald wie eine Wand da, nur der Widerschein einer sterbenden Sonne spiegelt sich im Weiher unten im Moor. Kein »Spatz«, denkt Kommissarin Halvorsen. Sie hat alles abgesucht, das Ähnlichkeit mit einem »Parkplatz« haben könnte, hat alle Ausweichstellen auf dem Forstweg untersucht und überall in den Wald hineingeschaut. Wenn der »Spatz« jemals hier gewesen ist, so ist er jetzt ausgeflogen.
    »Nein«, sagt Sundt, schüttelt den Kopf, als Anne-kin Halvorsen aus der Klamm zum Vorschein kommt. »Bisher finden wir nur Spuren des Verunglückten.« Eines »Verunglückten«, der in diesem Moment auf eine Bahre gelegt, mit einem Laken verhüllt und durch Geröll und Wald davongetragen wird. Die Träger haben einen harten Weg vor sich.
    »Warum haben wir keine Kopflampen mitgenommen«, grunzt der eine.
    Die nächste Station sind die Keller des RiT, wo die Pathologie ihre Arbeitszimmer hat. Anne-kin Halvorsen kann kurz das Gesicht des »Jägers« sehen, ehe es verhüllt wird. Ein gut aussehender Mann, gepflegt und noch ziemlich jung. Aber er sieht überrascht aus. Ihr fällt kein passenderes Wort für seinen Gesichtsausdruck ein als »überrascht«.
    Kommissarin Anne-kin Halvorsen verlässt den Wald, setzt sich ins Auto und fährt los. Wie die anderen diesen seltsamen Fundort sichern werden, ist nicht ihre Sache, wer eventuell Wache halten wird, ist auch nicht ihr Bier. Sie schreitet aus, findet den Parkplatz und ihr Auto und fährt zur Wache. Dort schreibt sie den Bericht über ihren Tag. Ist so und so viele Waldwege gefahren, hat x verschiedene Parkplätze aufgesucht, hat Bymarka und Leinstrandsmarka kreuz und quer durchsucht, Resultat gleich

Weitere Kostenlose Bücher