Die Containerfrau
home! Now!«
Sie streckt die Hand nach dem Telefon aus, hebt es hoch und will Sundts Privatnummer eingeben.
»In English! Speak in English! If not …« Die Hand, die den Revolver hält, spricht eine deutlichere Sprache als das holprige Englisch des »Spatz«.
»And you tell I will have a people speak Russian!« Kommissarin Anne-kin Halvorsen kippt nicht das Kinn herunter, aber viel fehlt nicht mehr daran.
»Russian?«, fragt sie. »You want someone who can speak Russian?« Die andere nickt. »Yes, Russian.« Der polnische »Spatz« ist also Russin, denkt Anne-kin und wählt Sundts Privatnummer.
Es schellt und schellt. Keine Antwort. Sundt ist nicht zu Hause, Und seine Frau und die halbwüchsigen Töchter auch nicht.
»Nobody home«, sagt sie. »I will try the mobile.« Der »Spatz« nickt. Akzeptiert.
»Ja!«, wird in die Leitung gebellt. Sie schaut den »Spatz« an.
»In English«, faucht die Kleine.
Das jetzt folgende Gespräch verläuft hauptsächlich nach dem Muster von »English for Beginners«. Anne-kin Halvorsen will nichts anderes riskieren. Sie spricht eine englische Kindersprache und hört, dass ihr gottbegnadeter Chef begreift, nach einer kurzen Gedankenpause, dass die Lage ernst ist. Dass das hier kein quasi-komischer Anruf von Untergebener an König ist. Sondern blutiger Ernst. Sie reicht dem »Spatz« den Hörer.
»He wants to speak to you. Please.« Der »Spatz« nimmt das Telefon, der Revolverlauf bohrt sich noch immer tief zwischen Anne-kins Rippen.
»You fix a people speak Russian«, faucht der »Spatz«, lange, ehe Sundt überhaupt etwas sagen kann. »Okay?« Offenbar ist sie mit seiner Antwort zufrieden, ihr Gesicht entspannt sich für eine Sekunde.
»Thank you«, sagt sie und fügt hinzu:
»I have gun. No fuck around. Then … then … Babushka die. Okay?« Dann knallt sie den Hörer auf die Gabel, geht rückwärts zurück zu ihrem Stuhl und setzt sich. Babuschka, denkt Anne-kin Halvorsen, Himmelherrgott, bin ich wirklich so alt, dass die Kleine mich »Babuschka« nennt? Sie tröstet sich damit, dass der Wortschatz des »Spatz« doch sehr karg bemessen ist. Und dass diese Bezeichnung einen positiven Beiklang zu haben scheint.
26
Die Tür gleich gegenüber, die Wohnungstür ihrer Nachbarin, Rakel A. Steen, wird auf- oder zugeschlossen. Gleich darauf geht Anne-kins Türglocke. Der »Spatz« wird kalkweiß im Gesicht, starrt Anne-kin an, die fast über ihre eigenen Worte stolpert, als sie erklärt, das sei ihre Nachbarin.
»My neighbour. Living next door.« Der »Spatz« nickt.
»Old lady«, sagt sie. »Real babushka.« Ein winziges Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Ach, so ist das also, Herzchen, denkt Kommissarin Halvorsen. Du hast dich bei Frau Steen eingeschmeichelt, um im Treppenhaus warten zu dürfen, du hast ihr sicher Leid getan, wo sie doch so eine barmherzige Samariterin ist.
»You have my visitors’ card? My address?«, fragt Anne-kin. Der »Spatz« gibt keine Antwort, schnaubt nur. Das ist eigentlich Antwort genug. Wieder geht die Türglocke.
»Frau Halvorsen, sind Sie da?«, ruft ihre Nachbarin. Der »Spatz« schüttelt den Kopf. Na gut, dann ist sie eben nicht da. Sie hören Schritte, die sich entfernen, dann fällt die Nachbartür ins Schloss.
Einmal während dieser unerträglich langen Wartezeit hätte Kommissarin Halvorsen die Waffe vielleicht wegtreten können. Der »Spatz« ist für einen Moment unaufmerksam, dreht sich halb zum Fenster hin und horcht. Draußen hält ein Auto, Autotüren werden zugeschlagen. Aber dann hörten sie wütendes Kindergeschrei und tröstende mütterliche Worte. Sie hätte es vielleicht schaffen können. Die andere zu entwaffnen. Aber was wäre damit erreicht gewesen? Der »Spatz«, der offenbar reden möchte, wäre in Untersuchungshaft genommen worden, wäre stumm wie ein Fisch gewesen, und was in aller Welt hätte ihnen das gebracht? Wenn hier auch nicht gerade die Rede von Vertrauen sein konnte, der Blick in eine Revolvermündung ist nun wirklich keine vertrauensbildende Maßnahme, so weiß sie doch, dass der »Spatz« die Waffe, ihren »Schutz«, nicht benutzen wird. Nicht, so lange Anne-kin mitspielt. Kommissarin Halvorsen beschließt, sitzenzubleiben und mitzuspielen.
Endlich klingelt das Telefon und der »Spatz« nickt ihr zu.
»English!«, faucht-flüstert sie. Es ist Sundt. Er hat einen russischsprachigen Menschen aufgetan, einen, der jetzt neben ihm sitzt. Sundt möchte mit dem »Spatz« sprechen. Und mit
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