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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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Fenster herunter und fragt, was denn los sei. Eine lächelnde Frau mit Gummistiefeln an den Füßen, Rucksack auf dem Rücken und einigen Zetteln in der Hand beugt sich zu ihr herab.
    »Bitte sehr«, sagt die Frau und drückte ihr einen Zettel in die Hand. Anne-kin liest: »Geologie und Bergbau in der Umgebung der Stadt. Wanderungen.« Und: »Bringen Sie Stiefel, Pullover und eventuell etwas zum Schreiben mit.« Sie ist zwischen an Geologie interessierten Mitmenschen stecken geblieben, das ist ihr passiert. Aber welche Geologie muss denn unbedingt mitten auf der Straße studiert werden? Besondere Kies- und Sandvorkommen? Hinterlegt von einem Straßenbauamt, das mit der Instandhaltung immer im Rückstand ist? Oder versteckt sich hier im Untergrund eine Goldader? Steht da nicht etwas über Bergbau?
    Anne-kin Halvorsen trommelt ungeduldig auf dem Lenkrad herum und atmet erleichtert auf, als die Herde weitertrottet.
    »Viel Glück bei der Schatzsuche«, ruft sie und sieht, dass die Frau ihr zum Abschied zuwinkt. Sie legt die Hände aufs Lenkrad und holt tief Luft. Und atmet aus. Noch einmal. Viele Male.
    Beruhige dich, sagt sie zu sich, beruhige dich ganz einfach und benimm dich anständig. Aber ihr Auftrag ist so hoffnungslos, so bar jeder Vernunft, undurchführbar. Forstwege und Parkplätze, von denen gibt es in der Umgebung der Stadt doch Tausende. Und was, wenn der »Spatz« nun aus Lierne, Fosen, Finnskogen oder sogar Gudbrandsdalen angerufen hat? So viele Tage ist sie schon verschwunden, so lange ist es her, dass sie sich selbst aus dem RiT entlassen hat – die Frau kann doch jetzt in Bardu oder in der Nordmarka bei Oslo sein! Warum hat sie das nicht klären können? »Bleib, wo du bist, ich komme dich holen«, hatte sie gesagt. Erleichtert und glücklich, weil der »Spatz« am Leben war. Kommissarin Halvorsen zieht für sich selbst eine Grimasse. Wenn ein Kollege diese Geschichte erzählt hätte, dann hätte sie hämisch gelacht, dermaßen unprofessionell darf man sich einfach nicht verhalten. Aber es ist ihre, es ist allein ihre Geschichte. Und deshalb könnte sie heulen. Das Einzige, was sie daran hindert, ist die Gewissheit, dass sie doch noch immer einen besseren Riecher hat als Sundt. Der Wagen des »Jägers« jedenfalls ist auf der anderen Seite der Stadt gefunden worden. Sie streckt die Hand nach dem Mobiltelefon aus, sie will mehr wissen. Will wissen, warum Sundt sie auf die falsche Seite der Stadt geschickt hat, und warum er noch immer darauf besteht, dass sie hier draußen ihren Tank leer fährt. Sie kann den Gedanken nicht zu Ende denken, denn schon klingelt das Telefon. Anne-kin meldet sich. Es ist Vang. Der Trottel sitzt da wie die Made im Speck, im Zentrum der Ereignisse.
    »Halvorsen«, hört sie. Der Schnurrbart zittert. Sie grunzt eine Bestätigung.
    »Der Wagen ist nicht verschlossen, die Schlüssel stecken, kein Mobiltelefon, keine Hinweise darauf, dass die Vermisste dort gewesen ist«, singt er ihr vor. Vang ist in seinem Element. Ist in Äkschn. Kommissarin Halvorsen spürt ihr Adrenalin wieder steigen.
    »Du kannst doch zum Teufel nicht entscheiden, wer im Auto gewesen ist und wer nicht!«, ruft sie gereizt. »Warum überlässt du die feine Denkarbeit nicht der Technik?«
    Und sofort würde sie sich am liebsten die Zunge abbeißen. Glaubt, Grinsen und wippenden Schnurrbart Vangs durch das Telefon sehen zu können.
    »Und wie geht es Pfadfinderin Hirschfuß? Kreuzt du auch ja jeden abgefahrenen Weg ab? Damit du nicht …«
    Sie bricht energisch die Verbindung ab und schiebt die Rolling Stones in den Rekorder. Was verboten ist. Aber jetzt scheißt sie auf die Vorschriften. Dreht lieber alles bis zur Verzerrung laut auf.
    Lässt es heulen und dröhnen, während sie neue Wege und Parkplätze durchsucht. Außerhalb des Autos gibt es einfach keinen Teufelswald, alles Teufelszeug gibt es drinnen. »Sympathy for the Devil« donnert aus ihrer Musikanlage. Mitten in der »Sympathie« besinnt sie sich. Sie erfährt doch nichts über die Außenwelt, wenn sie sich von heulenden Dezibel das Gehör ruinieren lässt. Ein Klicken, dann herrscht Stille. Sie dreht das Radio ein. Überprüft den Benzinmesser, noch jede Menge Treibstoff vorhanden. Und noch jede Menge Forstwege, jede Menge Parkplätze, jede Menge … Der Polizeifunk knackt und Chef Sundts Stimme ersetzt die Dezibel. Sie klingt weder nach Fistel noch nach Falsett, sie nennt nur ihren Namen. Mild und sanft und mit immer neuen Überraschungen hinter

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