Die Corleones
dafür zu interessieren, wie unsere Stadt regiert wird.«
»Und ob. Wenn ich mit der Schule fertig bin, werde ich für Papa arbeiten. Wahrscheinlich erst als Verkäufer oder so was. Und irgendwann steige ich bei Papa ein und verdiene einen Haufen Geld.«
Aus dem Radio im Erdgeschoss drang lautes Gelächter zu ihnen herauf. Fredo und Michael wandten sich beide der Tür zu, als könnten sie dort sehen, was so lustig war. »Wie kommt es, dass du für Papa arbeiten willst?«, fragte Michael. »Möchtest du nicht auf eigenen Beinen stehen?«
»Ich werde auf eigenen Beinen stehen«, erwiderte Fredo. »Aber ich werde auch für Papa arbeiten. Warum? Was willst du denn werden, Großmaul?«
Michael faltete die Hände hinter dem Kopf, während eine heftige Windbö das Haus erschütterte und die Fensterscheiben klirrten. »Ich weiß nicht. Ich interessiere mich für Politik. Vielleicht werde ich mal Kongressabgeordneter. Oder sogar Senator.«
»
V’fancul’ «
, flüsterte Fredo. »Warum nicht gleich Präsident?«
»Ja«, erwiderte Michael. »Warum nicht?«
»Weil du Italiener bist. Kapierst du denn gar nichts?«
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Hör zu, Kleiner«, sagte Fredo. »Kein Italiener ist jemals Präsident geworden, und das wird sich auch nicht ändern. Niemals.«
»Warum nicht? Warum soll kein Italiener Präsident werden können, Fredo?«
»
Madon’!
Hey, Michael! Vielleicht hast du das noch nicht mitbekommen, aber wir sind Makkaronis,
capisc’
? Kein Makkaroni wird jemals Präsident.«
»Warum nicht?«, wiederholte Michael. »Unser Bürgermeister ist ein Makkaroni. Die Leute lieben ihn.«
»Erstens«, sagte Fredo und beugte sich aus dem Bett zu Michael hinüber, »ist LaGuardia Neapolitaner, nicht Sizilianer wie wir. Und außerdem wird er niemals Präsident.«
Michael blieb ihm die Antwort schuldig. Nach einer Weile verstummte unten das Radio, und seine Eltern schalteten die Hausbeleuchtung aus und kamen die Treppe herauf. Mama steckte wie immer den Kopf herein und murmelte etwas – wahrscheinlich ein Gebet, dachte Michael. Dann schloss sie die Tür wieder. Der Wind pfiff derweil weiter um das Haus und rüttelte an den Fenstern. Obwohl Fredo inzwischen wahrscheinlich eingeschlafen war, sagte Michael: »Vielleicht hast du recht, Fredo. Vielleicht wird kein Italiener jemals Präsident.«
Als er keine Antwort erhielt, schloss Michael die Augen und versuchte einzuschlafen.
Kurz darauf ertönte Fredos schläfrige Stimme in der Dunkelheit. »Hey, Michael. Du bist der Klügere von uns beiden. Wenn du davon träumen willst, Präsident zu werden, warum nicht?«Er schwieg einen Moment, bevor er hinzufügte: »Und wenn das nicht klappt, kannst du immer noch für Papa arbeiten.«
»Danke«, sagte Michael. Er drehte sich auf den Bauch, schloss die Augen und wartete auf den Schlaf.
Hooks wusch seine Hände in einer Schüssel mit warmem Wasser, während Filomena, die am Fußende von Kellys Bett saß, Lucas neugeborenen Sohn in lange Streifen aus dünnem weißen Tuch wickelte. Die Jungs saßen noch immer unten in der Küche und spielten Poker. Hin und wieder drang ein Lachen oder ein erregter oder wütender Ausruf zu ihnen herauf, und Kellys Stöhnen war kaum zu hören. Dampf fuhr zischend durch die Heizkörper – der uralte Heizofen mühte sich noch immer grollend ab, das Haus warmzuhalten. Obwohl es vor einer Weile aufgehört hatte zu schneien, tobte draußen noch immer der Wind, und das schon die ganze Nacht. Vinnie und Luca hatten Stunden gebraucht, um zu Filomena in die Stadt zu gelangen und mit ihr nach Long Island zurückzufahren, dann waren wieder Stunden vergangen, während Filomena sich um Kelly kümmerte und bis das Kind geboren wurde, und jetzt war die Nacht fast vorbei. Filomena hatte sich wütend auf die Lippen gebissen, als sie Kelly halbtot in Lucas großem Bett hatte liegen sehen, völlig abgemagert und mit getrübtem Blick. Luca hatte dem keine Beachtung geschenkt. Er hatte Hooks angewiesen, Filomena zu helfen, und war dann nach unten gegangen, um Poker zu spielen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, hatte Filomena auf Italienisch einen Fluch ausgestoßen. Dann hatte sie Hooks in knappen Worten erklärt, was er tun sollte. Sie war eine stämmige Frau, und obwohl sie wahrscheinlich erst Mitte dreißig war, wirkte sie weit älter – als wäre sie schon seit Anbeginn der Zeit auf dieser Erde.
Nachdem Filomena das Kind gewickelt hatte, drückte sie es sich an die Brust und
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