Die Corleones
wäre alles besser, bis auf seine Mutter vielleicht und ihr fortwährendes Gejammer und seine Kopfschmerzen, die einfach nicht aufhören wollten, und die ganze andere Scheiße, die immer weiterging, immer weiter und weiter. Er nahm den Hut ab, wischte den Schnee von der Krempe und setzte ihn wieder auf. Und weil es sonst nichts gab, was er hätte tun können, machte er sich wieder auf den Weg zum Farmhaus.
Lucas Kopfschmerzen kehrten zurück, während er die Einfahrt zu seinem weißen, mit Schindeln verkleideten Haus hinaufstapfte. An den Dachrinnen hingen lange Eiszapfen, die an manchen Stellen zu erstarrten Wasserfällen angewachsen waren. Einige reichten sogar bis zum Boden hinunter. Durch das Kellerfenster fiel ein roter Schein auf den Schnee hinaus, und als Luca in die Hocke ging, um hineinzuschauen, sah er Vinnie im Unterhemd Kohlen in den Heizofen schaufeln. Obwohl der Wind unter der Dachrinne und zwischen den nackten Ästen eines uralten, riesigen Baumes hindurchpfiff, der über dem Haus aufragte, als würde er es bewachen, konnte er den Ofen ächzen und grollen hören. Luca trat in den Hausflur, schüttelte den Schnee ab, schälte sich aus mehreren Schichten Kleidern und warf sie auf den bereits überlasteten Garderobenständer. Die Jungs saßen am Küchentisch und begrüßten ihn, indem sie laut seinen Namen riefen. Hier drin roch es nach Kaffee und Schinken. Ein hochgewachsener Mann, den Luca nicht kannte, stand vor einer Pfanne mit Rührei am Herd, und auf dem hinteren Brenner dampfte eine Kanne Kaffee. Der Fremde war schon etwas älter, vielleicht Mitte fünfzig, und er trug einen schweren, olivgrünen dreiteiligen Anzug mit einer olivgrünen Krawatte und einer roten Nelke amJackettaufschlag. Luca sah ihn verwundert an, und Hooks sagte: »Das ist Gorski. Ein Freund von Eddie.«
Eddie Jaworski, der zwischen JoJo und Paulie am Tisch saß, brummte etwas Unverständliches. In der Mitte des Tisches hatte sich ein hübscher Berg Geldscheine und Münzen angesammelt, und Eddie hielt fünf Karten aufgefächert in der linken Hand. In der rechten hatte er einen Zehn-Dollar-Schein. »Ich erhöhe«, sagte er schließlich, warf den Geldschein auf den Haufen und nahm einen Schluck aus einem silbernen Flachmann, neben sich einen ordentlichen Stapel Bargeld.
Vinnie, der sich gerade das Hemd zuknöpfte, kam aus dem Keller herauf. »Hallo, Boss«, sagte er und setzte sich neben Hooks. Gorski kam, einen Teller mit Schinkeneiern in der einen und eine Gabel in der anderen Hand, vom Herd herüber und stellte sich hinter Eddie.
Bis auf Hooks und Eddie waren alle aus dem Rennen. Hooks ging mit und erhöhte um zwanzig Dollar. Eddie murmelte etwas auf Polnisch und starrte nervös in seine Karten.
Luca trank einen großen Schluck aus einer Flasche Scotch, die vor Hooks auf dem Tisch stand. »Draußen ist es eiskalt«, sagte er zu niemand Bestimmtem, wandte sich um und ging ins Schlafzimmer hinauf. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: Es war kurz nach zehn Uhr abends. Auf der Treppe blieb er stehen und schaute durchs Fenster; Eiszapfen versperrten ihm teilweise die Sicht auf die Einfahrt, die Bäume und die Schneewehen auf der Straße. Er hatte den Eindruck, durch eine Zahnreihe in eine erstarrte Welt hinauszublicken, und kam sich vor wie in einem Film. Ein eigenartiges Gefühl, und er hatte es in letzter Zeit immer öfter, was ihn zunehmend irritierte. Fast glaubte er, dass alles um ihn herum auf einer Filmleinwand geschah, und er befand sich irgendwo draußen im Dunkeln, wo die Zuschauer saßen, und sah sich alles an. Eine ganze Weile stand er mit pochendem Schädel vor dem Fenster, und als weder die Schmerzen noch das seltsame Gefühl nachließen, ging er weiter die Treppe hinauf. Kelly lag blass und zerzaust auf dem Bett, und die Bettdecke war nass und voller Blut ans Fußende gestrampelt.
»Luca«, keuchte sie. »Die Blase ist geplatzt. Das Kind kommt.« Luca konnte sie kaum verstehen. Sie stieß ein paar Worte aus, hielt inne, atmete tief durch, sagte noch etwas. Luca deckte ihren weißen runden Bauch zu. »Bist du sicher?«, fragte er. »Es ist doch noch zu früh.«
Kelly nickte. »Ich muss ins Krankenhaus.«
Das Pillenfläschchen, das er auf dem Nachttisch zurückgelassen hatte, war leer. »Wie viele von denen hast du genommen?«, fragte Luca und hob es hoch.
»Ich weiß es nicht.« Kelly wich seinem Blick aus.
Luca holte ein weiteres Pillenfläschchen aus der Tasche und schüttelte zwei in seine hohle Hand.
Weitere Kostenlose Bücher