Die Corleones
hinaus auf eine breite Gasse, wo eine Reihe von Lieferwagen unter dem Gitterwerk schwarzer Feuertreppen geparkt war. Hier draußen blies ein kalter Wind, wirbelte Staub und Abfall auf und zerrte an den Planen, die über die Ladeflächen der Lieferwagen gespannt waren. Vito blieb mit dem Rücken zu Sonny stehen und schaute die Gasse entlang zur Baxter Street hinüber. Seinen Mantel hatte er im Lagerhaus gelassen, und jetzt zog er das Jackett zu und schlang sich die Arme um die Brust. Sonny lehnte sich gegen die Tür und betrachtete den Rücken seines Vaters. Plötzlich fühlte er sich furchtbar müde und er ließ den Kopf nach hinten gegen das kalte Metall sinken. Auf einer Feuertreppe auf der anderen Straßenseite lag ein Plüschtiger; er war am Nacken aufgeplatzt, und die weiße Füllung zitterte im Wind.
»Pa«, sagte Sonny, dann wusste er nicht mehr, was er als Nächstes sagen sollte. Er schaute zu, wie der Wind die Haare seines Vaters durcheinanderbrachte, und verspürte das verrückte Bedürfnis, sie ihm mit den Fingern glattzustreichen.
Als Vito sich umdrehte, war seine Miene noch immer unversöhnlich. Er musterte Sonny schweigend, zog dann ein Taschentuch hervor und tupfte seinem Sohn das Blut von Lippen und Kinn.
Sonny war sich gar nicht bewusst gewesen, dass er blutete, bis er das Taschentuch mit den roten Flecken sah. Er fasste sich an denMund und verzog das Gesicht. »Pa«, sagte er und hielt wieder inne. Mehr als dieses vertraute Wort brachte er einfach nicht heraus.
»Wir konntest du uns das nur antun«, fragte Vito, »deiner Mutter und deinem Vater, deiner Familie?«
»Pa«, wiederholte Sonny, »Pa. Ich weiß, wer du bist. Ich weiß es schon seit Jahren. Himmel, Pa, jeder weiß es.«
»Wirklich?«, entgegnete Vito. »Für wen hältst du mich denn?«
»Ich will mir nicht mehr in der Werkstatt den Arsch aufreißen«, sagte Sonny, »und mir für ein paar Dollar die Hände schmutzig machen. Ich möchte, dass die Leute mich respektieren, so wie dich. Ich möchte, dass die Leute mich fürchten, so wie dich.«
»Ich frage dich noch einmal«, sagte Vito und trat einen Schritt auf ihn zu. Der Wind fuhr ihm durchs Haar und verlieh ihm ein wildes Aussehen. »Für wen hältst du mich denn?«
»Du bist ein Gangster«, sagte Sonny. »Vor der Gesetzesänderung hast du mit Schnaps gehandelt. Du hast deine Finger im Glücksspiel und im Geldverleih und hängst bei den Gewerkschaften mit drin.« Sonny presste die Hände gegeneinander und unterstrich seine Worte mit einer fahrigen Geste. »Ich weiß, was alle wissen, Pa.«
»Du weißt, was alle wissen«, wiederholte Vito. Er hob den Kopf, blickte zum Himmel hinauf und versuchte, sich die Haare glattzustreichen.
»Pa.« Sonny sah seinem Vater an, wie verletzt er war, und er wünschte, er hätte zurücknehmen können, was er gerade gesagt hatte, oder zumindest etwas sagen, was seinem Vater zeigte, dass er ihn für das respektierte, was er war – aber ihm wollte nichts einfallen, was in diesem Moment geholfen hätte.
»Du irrst dich«, sagte Vito, den Blick noch immer himmelwärts gerichtet, »wenn du mich für einen gewöhnlichen Ganoven hältst.« Er schwieg noch einen Augenblick länger, bevor er schließlich Sonny anblickte. »Ich bin Geschäftsmann. Und ja, ich gebe zu, dass ich mir mit Giuseppe Mariposa und seinesgleichen die Hände schmutzig mache – aber ich bin nicht wie Giuseppe, und wenn du das glaubst, irrst du dich gewaltig.«
»Ach, Pa.« Sonny schritt an seinem Vater vorbei und drehte sich im Kreis, bevor er ihm wieder gegenüber stand. »Ich bin es wirklich leid, dass du immer so tust, als wärst du jemand, der du nicht bist. Ich weiß, dass du es nur gut mit uns meinst, aber es tut mir leid, ich weiß, was du machst. Ich weiß, wer du bist. Du betreibst eine illegale Lotterie und mehrere Glücksspielläden in der Bronx. Du setzt die Gewerkschafter unter Druck, und deine Jungs erpressen Schutzgelder. Und du verkaufst Olivenöl.« Sonny faltete die Hände vor der Brust, als würde er beten. »Es tut mir leid, Pa, aber ich weiß, wer du bist und was du tust.«
»Das glaubst du vielleicht.« Vito trat zwischen zwei Lieferwagen, wo es etwas windgeschützt war, und wartete, bis sein Sohn ihm folgte. »Aber du hast nicht die geringste Ahnung. Dass ich Dinge tue, auf die ich nicht stolz bin, ist kein Geheimnis. Aber ich bin nicht der Ganove, als den du mich hinstellst. Ich bin kein Al Capone. Und auch kein Giuseppe Mariposa mit seinen Drogen und
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