Die Corleones
hinüber, wo die Decken am Fußende des Bettes zusammengeknüllt waren. Die meisten Nächte wälzte er sich unruhig herum und kämpfte mit seinem Bettzeug. Außerdem stöhnte er. Manchmal so laut, dass man es im Apartment nebenan hören konnte. Durch die offene Badezimmertür konnte er einen Spiegel über einem Waschbecken sehen, der noch immer beschlagen war. Nach dem Aufstehen duschte er stets. Im Unterschied zu dem
stronz’
, seinem Vater, der zum Glück schon lange tot war, und seiner Mutter, beides nichtsnutzige Säufer, sie und ihr verfluchtes Sizilien. Die halbe Zeit hatten sie zum Himmel gestunken. Wenn Giuseppe aufstand, duschte er und zog sich ordentlich an, und das schon, seit er ein junger Mann war. Er trug immer einen Anzug: Selbst als er keine zwei Nickel gehabt hatte, war es ihm stets gelungen, sich einen vernünftigen Anzug zu besorgen. Aufstehen, anziehen und ran ans Tagewerk. Deshalb hatte er auch so viel erreicht, und die ganzen anderen Nieten arbeiteten für ihn.
Er schaute sich im Schlafzimmer um, betrachtete die Möbel, das Schlittenbett und die Nachttische aus Mahagoni, die dazupassende Spiegelkommode, alles nagelneu. Ihm gefiel die Wohnung, und er überlegte, ob er sie nicht behalten sollte, wenn dieser Mist mit Corleone vorbei war, für eines seiner Mädchen vielleicht. Sein Jackett hing an der Badezimmertür über seinem Schulterholster. Das Jackett zog er an, das Holster ließ er dort. Er ging zur Kommode, öffnete eine Schublade, wählte aus dem Haufen Pistolen darin eine winzige Derringer aus. Steckte sie ein und ging aufs Dach hinauf, wobei er jede Wache, an der er vorbeikam, mit einer Ohrfeige weckte, ohne ein Wort zu ihnen zu sagen.
Auf dem Dach, wo die Sonne die Teerpappe und das gemauerte Gesims aufwärmte, war es herrlich. Es waren über zwanzig Grad – ein sonniger Frühlingsmorgen, fast schon sommerlich. Giuseppe war gerne draußen an der frischen Luft, dann fühlte er sich immer so wunderbar sauber. Er ging zum Rand des Daches hinüber, legte die Hand auf den Hinterkopf eines Wasserspeiers und blickte auf die Stadt hinaus. Unter ihm herrschte bereits geschäftiges Treiben, Menschen eilten die Gehsteige entlang, Autos drängten sich auf den Straßen. Schräg gegenüber leuchtete der weiße Pfeil des Flatiron Building im Sonnenschein. Als er noch ein kleines Licht gewesen war, hatte er eine Weile für Bill Dwyer in Chicago gearbeitet. Da hatte er auch Capone kennengelernt. Bill hatte ihn ziemlich herumkommandiert, und war er nicht jedes Mal gesprungen? Und wie! Das hatte ihm den Spitznamen »Jumpin’ Joe« eingetragen, den er zwar nicht mochte, der ihn aber auch nicht störte. Er war sein ganzes Leben lang immer auf dem Sprung. Deshalb war er auch so schnell aufgestiegen.
Als die Treppenhaustür aufging, wandte sich Giuseppe widerwillig von der warmen Sonne ab, die ihm ins Gesicht schien, und blickte zu Emilio hinüber, der zwanglos in dunkle Hosen und ein schlampiges blassgelbes Hemd gekleidet war; an seinem Hals standen ein paar Knöpfe offen, und die Goldkette, die er trug, war nicht zu übersehen. Für gewöhnlich achtete Emilio immer sehr auf seine Kleidung, und das gefiel Giuseppe an ihm. Was ihm nicht gefiel, war, ihn so zu sehen. Das war unprofessionell.
»Joe«, sagte Emilio und kam zu ihm herüber. »Du wolltest mit mir reden?«
»Als ich heute Morgen aufgestanden bin«, erwiderte Giuseppe und wandte sich zu Emilio um, »musste ich feststellen, dass die beiden Kerle, die vor der Wohnung Wache halten sollten, eingeschlafen waren. Alle schliefen tief und fest, bis auf diesen Schwachkopf, der in der Spüle sein Hemd gewaschen hat.« Er breitete die Arme aus, eine Aufforderung an Emilio, ihm zu erklären, was der Unsinn sollte.
»Die müssen sich erst einleben. Die Jungs haben bis in die Puppen Poker gespielt und getrunken.«
»Und? Meinst du, das spielt eine Rolle, wenn Clemenzas Leute hier aufkreuzen? Die jagen uns keine Kugel durch den Kopf, weil die Jungs bis spät Poker gespielt haben?«
Emilio hob beschwichtigend die Hände. »Das kommt nicht mehr vor, Joe. Ich geb dir mein Wort.«
»Gut.« Giuseppe setzte sich auf das Gesims, legte den Arm auf einen Wasserspeier und bedeutete Emilio, sich neben ihn zu setzen. »Noch mal von vorne«, sagte er. »Wir sind uns absolut sicher, dass das die Jungs von Frankie Pentangeli waren?«
»Yeah«, erwiderte Emilio, ließ sich neben Giuseppe nieder und klopfte eine Zigarette aus seiner Packung. »Carmine Rosato war dort.
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