Die Corleones
Er hat Fausto und Fat Larry gesehen und ein paar Jungs, die er nicht kannte. Sie haben wild in der Gegend herumgeballert. Und wir sind mindestens zehn Riesen ärmer.«
»Und die Gewerkschaftsbüros?« Giuseppe streckte die Hand nach einer Zigarette aus.
»Das muss auch Frankie gewesen sein. Wir sind jetzt im Krieg, Joe. Und Frankie ist zu den Corleones übergelaufen.«
Giuseppe nahm die Zigarette, die Emilio ihm anbot, und klopfte damit auf das Gesims. Emilio reichte ihm ein Feuerzeug. »Und wir? Wir lassen ihnen das durchgehen?«
»Sie haben ihre ganzen Banken entweder geschlossen oder verlegt, und den Großteil ihrer Glücksspielläden auch, also verlieren sie Geld. Das ist die eine Sache«, sagte Emilio. »Und ihre hohenTiere sind alle raus nach Long Island gezogen. Das ist wie eine Festung dort. Du riskierst schon dein Leben, wenn du nur einen Blick darauf werfen willst. Und reinkommen? Da müsstest du den Belagerungszustand ausrufen, wie im Mittelalter.«
»Was für einen Zustand?«, fragte Giuseppe und gab Emilio das Feuerzeug zurück.
»Na, wie bei einer Burg. Mit einem Graben und einer Zugbrücke.«
»Aha.« Emilio schwieg und blickte zum blauen, wolkenlosen Himmel hinauf. »Jetzt wissen wir es also mit Sicherheit«, sagte er, ohne Emilio anzuschauen. »Frankie hat die beiden Anthonys verraten.« Mit ernster Miene wandte er sich Emilio zu. »Ich hab Frankie nie vertraut. Er mochte mich nicht. Er hat gelächelt und die richtigen Dinge gesagt – aber mir hat er nichts vorgemacht. Er konnte mich nicht leiden. Wenn ich ihm nur rechtzeitig eine Kugel in den Kopf gejagt hätte.« Er drückte die Zigarette aus und warf sie aufs Dach. »Du hast dich für ihn verbürgt, Emilio. Du hast gesagt, warte ab, mach ihn nicht kalt, er ist in Ordnung.«
»Hey, Joe, woher hätte ich das wissen sollen?«
Giusseppe tippte sich mit dem Finger auf das Herz. »Instinkt. Ich wusste es nicht, hab es aber vermutet. Ich hätte mich auf meinen Bauch verlassen und ihn umlegen sollen.«
Als die Treppenhaustür aufging und Ettore Barzini zusammen mit Tits aus dem Halbdunkel trat, sagte Giuseppe noch rasch zu Emilio, bevor die anderen sie erreicht hatten: »Diese Geschichte mit den Iren geht besser glatt, Emilio. Hörst du?«
»Ja, klar«, erwiderte Emilio. »Alles im Griff.«
Giuseppe und Emilio standen auf, während Ettore und Tits auf sie zukamen. »Emilio und ich haben gerade über diesen dreckigen Verräter Frankie Pentangeli geredet«, sagte Giuseppe.
»Dieser Hurensohn«, erwiderte Ettore. Er trug einen rauchgrauen Anzug mit einem schwarzen Hemd darunter, aber keine Krawatte. »Ich kann’s kaum fassen, Joe.«
»Eine Sache«, sagte Giuseppe und sah Tits in die Augen. »Aber eine Sache verwirrt mich ein wenig. Wir haben Frankie nichtsvon den Anthonys erzählt. Und Frankie wusste auch nichts von Capones Leuten. Wie hat er das rausgefunden? Woher wusste er von den Anthonys? Woher wusste er von den Jungs aus Chicago? Irgendjemand hat ihm einen Tipp gegeben. Tits, hast du ’ne Idee, wer das gewesen sein könnte?«
»Don Mariposa«, krächzte Tits. Sein rundliches Gesicht wurde ausdruckslos, und er wirkte plötzlich nicht mehr im Mindesten kindisch. »Wie könnte ich Frankie einen Tipp geben? Ich gehöre nicht zu seinen Leuten. Ich hab nichts mit ihm zu tun. Wann hätte ich überhaupt die Gelegenheit dazu gehabt? Bitte, Don Mariposa, ich war das nicht.«
»Joe«, sagte Ettore, »ich verbürge mich für Tits. Warum sollte er Frankie etwas verraten. Was hätte er denn davon?«
»Ettore, halt den Mund«, sagte Giuseppe und sah Emilio an. »Verbürgst du dich auch für ihn?«
»Natürlich. Der Junge arbeitet schon für mich, seit er klein ist. Er würde mir niemals in den Rücken fallen. Er ist es nicht, Joe.«
»Natürlich würde er dir nie in den Rücken fallen. Du bist wie ein Vater für ihn. Dich würde er bestimmt nie verraten.« Giuseppe schüttelte den Kopf, um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr ihm das alles zuwider war. Er bedeutete den anderen, ihm zu folgen, und ging zur Treppenhaustür hinüber. »Wisst ihr, wie ich jetzt vor den anderen Familien dastehe? Vor meinem Freund Al Capone? Vor der Organisation? Wisst ihr eigentlich, wie ich jetzt dastehe?«
Tits hastete an ihnen vorbei und hielt Giuseppe die Tür auf.
Giuseppe sagte zu ihm: »Du magst mich nicht besonders, hab ich recht?«
»Aber natürlich, Don Mariposa.«
»
Don Mariposa
,
Don Mariposa
«, sagte Giuseppe und trat in das Halbdunkel des
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