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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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sie ihn erwischten. Die Leute in der Gegend wussten das und beruhigten sich damit, dass sein Vater schon wieder auftauchen würde, wenn er genug gesoffen hatte, aber Toms Vater tauchte nicht wieder auf, und eines schönen Morgens räumte der Vermieter die Wohnung aus und schmiss alle Möbel auf die Straße. Am Nachmittag war alles fort, bis auf einen dreibeinigen Stuhl und irgendwelchen nutzlosen Kram. Als das alles passierte, war Sonny elf Jahre alt. Tom war ein Jahr älter als Sonny, aber er bestand nur aus Haut und Knochen, und wer ihn sah, hielt ihn meist für zehn. Sonny dagegen wirkte eher wie vierzehn.
    An jenem Nachmittag war Michael ihm nachgelaufen. Damals war er sieben oder acht gewesen, und sie hatten bei Nina’s an der Ecke Lebensmittel eingekauft. Michael entdeckte Tom zuerst und zupfte an der Hose seines Bruders. »Sonny«, sagte er. »Schau mal.« Sonny wandte sich um und sah einen Jungen mit einem Sack über dem Kopf, der auf einem dreibeinigen Stuhl saß. Johnny Fontane und Nino Valenti, zwei ältere Jungs aus der Gegend, hockten ein paar Häuser weiter auf einer Treppe und rauchten Zigaretten. Sonny überquerte die Straße, und Michael zupfte ihn am Hemd. »Wer ist das?«, fragte er. »Warum hat er einen Sack über dem Kopf?« Sonny wusste, dass das Tom Hagen war, sagte aber nichts. Er blieb vor Johnny und Nino stehen und fragte, was los sei.
    »Das ist Tom Hagen«, sagte Johnny. Johnny war ein schlanker, gutaussehender Bursche mit einem dichten Schopf dunkler Haare, die er sich in die Stirn gekämmt hatte. »Er glaubt, dass er blind wird.«
    »Blind?«, fragte Sonny. »Warum das?«
    »Seine Mutter ist gestorben«, erwiderte Nino, »und sein Vater …«
    »Das weiß ich alles«, fiel ihm Sonny ins Wort. Zu Johnny sagte er: »Warum meint er, dass er blind wird?«
    »Woher soll ich das wissen, Sonny? Frag ihn doch.« Dann fügte er hinzu: »Seine Mutter ist blind geworden, bevor sie gestorben ist. Vielleicht denkt er, er hat sich angesteckt.«
    Nino lachte, und Sonny sagte: »Du hältst das wohl für witzig, was, Nino?«
    »Kümmer dich nicht um Nino«, meinte Johnny. »Der spinnt manchmal.«
    Sonny trat einen Schritt auf Nino zu, und Nino hob die Hände. »Hey, Sonny. Ich hab das nicht böse gemeint.«
    Michael zupfte Sonny erneut am Hemd. »Komm schon, Sonny. Lass uns nach Hause gehen.«
    Sonny ließ seinen Blick noch einen Moment auf Nino ruhen, dann ging er davon, Michael ihm nach. Vor Tom blieb er stehen und sagte: »Was machst du denn da, du Blödmann? Warum hast du dir einen Sack über den Kopf gezogen?« Als Tom nicht antwortete, hob er den Sack ein Stück hoch und sah, dass Tom sich einen schmutzigen Verband um die Augen gewickelt hatte. Dort, wo er sein linkes Auge bedeckte, hatte sich eine Kruste aus Eiter und getrocknetem Blut gebildet. »Was zum Teufel ist los, Tom?«
    »Ich werde blind, Sonny!«, sagte Tom.
    Damals kannten sie sich noch so gut wie gar nicht. Sie hatten sich ein- oder zweimal unterhalten, nichts weiter – trotzdem entging Sonny der flehentliche Tonfall von Toms Stimme nicht, als wären sie schon ihr ganzes Leben lang dicke Freunde gewesen und Tom würde ihn nun um Hilfe bitten. So, wie Tom
Ich werde blind, Sonny!
sagte, klang es, als hätte er bereits jegliche Hoffnung aufgegeben.
    »
V’fancul’!
«, murmelte Sonny. Er drehte sich auf dem Gehsteigein Mal im Kreis, als wollte er Zeit gewinnen, um nachzudenken. Dann reichte er Michael die Lebensmittel, schloss die Arme um Tom, hob ihn samt Stuhl in die Höhe und trug ihn die Straße entlang.
    »Was machst du da, Sonny?«, wollte Tom wissen.
    »Ich bring dich zu meinem Vater«, antwortete Sonny.
    Und das tat er auch. Während Michael ihnen mit weit aufgerissenen Augen folgte, trug er Tom in das Haus, wo sein Vater und Clemenza sich gerade im Wohnzimmer miteinander unterhielten. Er ließ den Stuhl vor seinem Vater auf den Boden krachen. Vito, der dafür berühmt war, dass er nie die Fassung verlor, sah aus, als würde er in Ohnmacht fallen.
    Clemenza zog Tom den Sack vom Kopf und wich, als er den Eiter und das Blut sah, einen Schritt zurück. »Wer ist das?«, fragte er Sonny.
    »Das ist Tom Hagen.«
    Carmella kam ins Zimmer und legte Tom sanft die Hand auf die Stirn. Sie neigte seinen Kopf leicht nach hinten, um sein Auge besser zu sehen. »
Infezione «
, sagte sie zu Vito.
    Vito flüsterte ihr zu: »Hol Doktor Molinari.« Es klang, als wäre seine Kehle ausgetrocknet.
    »Was machst du da, Vito?«, fragte

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