Die Corleones
Fünfzigdollarschein, Sonny? Das ist mehr, als du in zwei Wochen verdienst.«
»Pa, ich hab doch fast keine Ausgaben! Die meiste Zeit esse ich hier. Meine Miete ist billig.«
Vito faltete die Hände im Schoß und wartete.
»Himmel!« Sonny sprang auf und wandte Vito den Rücken zu, bevor er sich wieder umdrehte. »Okay. Ich hab am Samstagabend in Greenpoint mit ein paar Polen Poker gespielt.« Er hob ein wenig die Stimme, um sich zu rechtfertigen. »Nur so zum Spaß, Pa! Normalerweise verlier oder gewinn ich ein paar Dollar … Dieses Mal hab ich richtig viel gewonnen.« Sonny verschränkte die Arme vor der Brust. »Ein kleines Pokerspiel am Samstagabend …«
»Das machst du also mit dem Geld, das du verdienst? Du spielst Poker mit einem Haufen Polacken?«
»Ich pass schon auf mich auf«, sagte Sonny.
»Du passt schon auf dich auf.« Vito deutete auf das Bett, damit Sonny sich wieder setzte. »Sparst du wenigstens etwas? Hast du ein Konto eröffnet, wie ich dir gesagt habe?«
Sonny ließ sich neben Vito auf das Bett fallen und blickte zu Boden.
»Also nicht.« Vito kniff Sonny in die Wange, und Sonny wich vor ihm zurück. »Hör mir gut zu, Santino. In der Automobilindustrie verdienen die Leute ein Vermögen. In den nächsten zwanzig, dreißig Jahren …« Vito öffnete die Handflächen, um anzudeuten, dass alles möglich war. »Wenn du hart arbeitest, kann ich dir hier und da ein wenig helfen, und wenn du erst so alt bist wie ich, hast du mehr Geld, als ich mir je erträumt habe.« Er legte Sonny die Hand aufs Knie. »Aber du musst hart arbeiten. Du musst die Branche von Grund auf kennenlernen. Dannkannst du später jemand einstellen, der sich um mich kümmert, wenn ich nicht mehr alleine auf die Toilette komme.«
Sonny lehnte sich gegen das Kopfbrett. »Schau mal, Pa. Ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet bin.«
»Für was?«, fragte Vito, selbst darüber erstaunt, wie verärgert er klang.
»Dafür, jeden Tag wie der letzte Idiot zu schuften. Ich arbeite acht bis zehn Stunden, was Leo fünfzig Dollar einbringt, und er zahlt mir fünfzig Cent. Das ist doch was für Dummköpfe, Pa.«
»Willst du vielleicht gleich den Boss spielen? Hast du das ganze Werkzeug gekauft oder Leo? Zahlst du die Miete oder Leo? Steht auf dem Schild draußen
Leos Werkstatt
oder
Santinos Werkstatt
?« Als Sonny ihm die Antwort schuldig blieb, fügte Vito hinzu: »Schau dir Tom an, mein Sohn. Er hat ein Konto, auf dem er ein paar hundert Dollar gespart hat. Außerdem hat er den ganzen Sommer über gearbeitet, um etwas zum Schulgeld beizusteuern. Tom weiß, was es bedeutet, sich anzustrengen und etwas aus sich zu machen.« Vito packte Sonny am Kinn und zog ihn zu sich heran. »Wenn du was werden willst, musst du hart arbeiten! Vergiss das nie, Santino!« Als Vito vom Bett aufstand, war sein Gesicht ganz rot. Er öffnete die Zimmertür und drehte sich noch einmal zu seinem Sohn um. »Ich will nie wieder hören, dass Arbeit etwas für Idioten ist,
capisc’
? Nimm dir ein Beispiel an Tom, Santino.« Er warf seinem Sohn einen letzten wütenden Blick zu und ging dann hinaus. Die Tür ließ er offen.
Sonny ließ sich aufs Bett zurückfallen. Er schlug mit der Faust über seinem Kopf in die Luft, als wäre dort Toms Gesicht. Was würde sein Vater wohl sagen, wenn er wüsste, dass sein geliebter Tom mit einer irischen Hure vögelt? Das hätte Sonny nur zu gerne gewusst. Hatte Tom sich doch tatsächlich mit Luca Brasis Puppe eingelassen! Wenn das nur mal keinen Ärger gab. Sonny musste grinsen, und schon war seine Wut verflogen. Pa stellte Tom immer als Vorbild hin –
Tom tut dies, Tom tut das
. Trotzdem bestand nie der geringste Zweifel daran, wem Vito CorleonesLiebe und Loyalität galten. Sonny war sein ältester Sohn. Mehr musste ein Italiener nicht wissen.
Sonny war sowieso nie lange wütend auf Tom. In seinem Herzen würde Tom immer der kleine Junge bleiben, der auf einem Stuhl mit nur drei Beinen gesessen hatte, auf der Straße vor dem Haus, in dem er gewohnt hatte, zwischen den ganzen Möbeln, die der Vermieter hinausgeworfen hatte. Toms Mutter war ein Jahr zuvor am Suff gestorben, dann war vor ein paar Wochen sein Vater verschwunden. Bald darauf kamen die katholischen Wohlfahrtsorganisationen, um ihn und seine Schwester abzuholen, aber Tom hatte sich davongemacht, bevor sie ihn kriegen konnten. Wochenlang schlug er sich bei den Zügen herum, schlief in den Güterwaggons und bekam von den Bahnbullen den Hintern versohlt, wenn
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