Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
zumindest heute Abend in Ruhe zu lassen, damit sie sich erholen konnte.
Aber dazu konnte sich Steven nicht durchringen. Irgendetwas trieb ihn dazu an, Melissa zu sehen und ihr zu sagen, dass … was? Was gab es, das er ihr hätte sagen können?
Wenn er das bloß wüsste. Trotzdem musste er mit ihr reden, und zwar ohne Matt oder seine Eltern an seiner Seite. Sobald er ihr in die Augen sehen konnte, würde er schon wissen, was er sagen musste … oder auch nicht.
Er fuhr auf die Main Street, die übersät war mit Pferdeäpfeln, Konfetti und den Überresten der verpackten Bonbons, die der Bürgermeister von seinem Cabriolet aus in die Zuschauermenge geworfen hatte. Vor sich, an der übernächsten Kreuzung, konnte er Melissa in ihrem Roadster ausmachen. Trotz der großen Entfernung sah er, wie sich die letzten Sonnenstrahlen des Tages in ihrem Haar fingen.
Außer ihnen beiden war weit und breit kein anderes Auto zu sehen, nicht einmal ein Fußgänger war unterwegs, was der Szene etwas Unheimliches, fast schon Postapokalyptisches verlieh.
Ob die Ampel, die er eben überfahren hatte, rot oder grün angezeigt hatte, wusste er nicht, da er ganz auf Melissas Wagen konzentriert war. Umso überraschter war er, als sie an der nächsten Kreuzung rechts abbog, obwohl sie nach links hätte fahren müssen, um nach Hause zu gelangen.
Dass sie ihn inzwischen im Rückspiegel bemerkt haben musste, daran bestand kein Zweifel. Aber er hatte auch keine Lust, sich wie eine Figur aus einem schlechten Thriller zu benehmen und hinter ihr herzuschleichen. Er hatte in seiner Karriere schon so manchen Stalker vor Gericht verteidigen müssen und wollte nicht selbst zu einem werden. Zum Glück hatte er dadurch etwas mehr Kenntnis über diese Form der Besessenheit als die meisten Menschen, was ihn jetzt davor bewahrte, genau diese Dummheit zu begehen und ihr heimlich nachzustellen.
Als sie den Blinker betätigte und er begriff, dass sie am Stop & Shop anhalten wollte, meldete sich bei ihm abermals dieses unheimliche Gefühl, er müsse in Melissas Nähe bleiben und sie unbedingt im Auge behalten.
Sie hielt an der Tankstelle an und stieg aus, um sich an der Kasse mit ihrer Kreditkarte registrieren zu lassen und zu tanken.
Steven fuhr an ihr vorbei zum Parkplatz vor dem angeschlossenen Supermarkt, der wie der Rest der Stadt menschenleer dalag. Melissa sah kurz in seine Richtung und lächelte flüchtig, dann schob sie die Zapfpistole in die Tanköffnung. Einen Moment später nahm ihr Gesicht einen missmutigen Ausdruck an, da die Zapfsäule nicht ansprang.
Steven machte kehrt, fuhr zu ihr zurück, stieg aus und zwang sich, lässig in ihre Richtung zu schlendern.
„Hi“, sagte er.
„Hallo“, kam ihre Antwort, die nicht unfreundlich, nur ein wenig gedankenverloren klang, so als kenne sie ihn, wisse aber nicht genau, wo sie ihn einordnen sollte.
Er stellte sich vor, wie sich ihre innere Stimme zu Wort meldete: Ach ja, das ist doch der Typ, mit dem ich mal im Bett war.
„Wo ist Matt?“, fragte sie mit einem leicht distanzierten Unterton. Zwischen ihnen hätte ebenso gut ein unter Starkstrom gesetzter Stacheldrahtzaun verlaufen können, so weit schien sie innerlich von ihm entfernt zu sein.
„Er ist mit meinen Eltern auf der Kirmes“, sagte Steven und wunderte sich darüber, dass ihm die Worte trotz seiner inneren Anspannung so gelassen über die Lippen kamen.
„Aha“, erwiderte sie und schaute zur Seite.
Es musste etwas passieren. Sie beide mussten wieder wie Erwachsene miteinander umgehen, nicht wie zerstrittene Teenager.
„Melissa …“
„Was denn?“
„Ich … wir müssen uns unterhalten.“
Sie zog eine Augenbraue leicht hoch. „Über was?“
„Über uns, verdammt noch mal!“
Mit honigsüßer Stimme erkundigte sie sich: „Und was soll das sein?“
Aufgebracht deutete er auf die Zapfsäule. „Vielleicht hast du’s ja noch nicht bemerkt, aber das Ding ist kaputt.“
Sie seufzte erschöpft. „Dann werde ich Martine das wohl sagen müssen.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und eilte in einem beachtlichen Tempo zur Kasse.
Steven musste sich beeilen, um auf gleicher Höhe mit ihr zu bleiben. „Ich muss immer an dich denken, ich kann einfach nicht anders.“ Überrascht und erschrocken zugleich hörte er, was er da eigentlich sagte.
Daraufhin lächelte Melissa ihn an, wartete, dass er ihr die Tür aufhielt, und flüsterte ihm zu: „Dann solltest du dich vielleicht etwas mehr anstrengen.“
Sie ging an ihm
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