Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
alles bewirkte aus einem unerfindlichen Grund, dass sich Melissas Kehle zuschnürte und sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen steigen wollten.
Lächelnd winkte sie Matt zu und tat so, als hätte sie den älteren Mann gar nicht bemerkt. Dann drehte sie sich weg, um das Signal zu geben, mit dem die Parade auf den Weg geschickt wurde. Die Zuschauer jubelten, ihren Gesichtern war die Freude anzusehen, die diese einfachste aller Feierlichkeiten bei ihnen auslöste, die so typisch für amerikanische Kleinstädte war.
Melissa kannte viele der Zuschauer. Es waren Menschen, die ihr ganzes Leben in Stone Creek oder in Indian Rock und in den umliegenden Dörfern verbracht hatten. Andere waren Fremde auf der Durchreise. Das jährliche Rodeo mit all seinen Attraktionen war immer ein Publikumsmagnet und lockte Teilnehmer aus allen Winkeln des Landes an.
Es kam ihr vor, als hätte etwas sie mitgerissen, wie eine Welle, die sie trug, während sie die Parade betrachtete. In Momenten wie diesen war sie unglaublich stolz auf ihre Heimatstadt und auf die Menschen, die hier lebten. Ein bisschen war sie sogar auf sich selbst stolz, weil sie durchgehalten hatte und es ihr gelungen war, die Aufgabe zu erledigen, mit der sie konfrontiert worden war.
Natürlich war es nicht so, als würde sie sich darum reißen, jemals wieder beim Paradekomitee den Vorsitz zu übernehmen. Nächstes Jahr durfte sich ein anderer dieses Vergnügen gönnen, Bea Brady und Adelaide Hillingsley davon abzuhalten, sich gegenseitig zu erwürgen, und genauso durfte ein anderer aufpassen, dass niemand unter einem riesigen Eishörnchen begraben wurde.
Sie sah zum Kirmesplatz. Das Rodeo würde morgen Mittag beginnen und bis in die Nacht andauern, und am Sonntag, dem 4. Juli, folgte eine Wiederholung der Feierlichkeiten, die dann mit einem spektakulären Feuerwerk ihren Abschluss fanden. Für den Augenblick jedoch war es vor allem das Riesenrad in Neonrosa, das sich vor dem allmählich dunkler werdenden Himmel abhob. Sobald der Jubel rings um die Parade abebbte, würde es die blechern klingende Musik vom Karussell und den anderen Fahrgeschäften sein, die sich über die Stadt legte. Sobald der letzte Motivwagen am Ende des Weges angekommen wäre, würden die Besucher mit ihren Kindern im Schlepptau zur Kirmes strömen, um geröstete Maiskolben, gegrilltes Fleisch, Zuckerwatte und etliche andere Ernährungskatastrophen zu verspeisen.
Einige von Melissas frühesten Erinnerungen drehten sich um die Kirmes und das große Rodeo, sie stammten aus einer Zeit, als ihre Familie noch intakt gewesen war. Wieder spielte sich die alte Szene vor ihrem geistigen Auge ab. Delia, wie sie eines Tages in einen Bus einstieg und niemals zurückkehrte. Und Melissas Dad, der wenig später starb, so wie Big John nach ihm.
Eine eigenartige Mischung aus Traurigkeit und Dankbarkeit erfasste Melissa, und das mitten auf der Main Street, umgeben von Freunden und Fremden. In ihrem Leben hatte sie viel verloren, aber sie hatte immer noch Brad, Olivia und Ashley, deren Ehepartner und all ihre Nichten und Neffen.
Sie war Teil einer eng verbundenen Familie, die stetig größer wurde, und das war mehr, als viele andere Menschen vorweisen konnten. Aber warum war es dann nicht
genug?
Steven bemühte sich, Melissa nicht aus den Augen zu verlieren, was angesichts der Menschenmenge auf den Gehwegen kein einfaches Unterfangen war. Dann, auf einmal, sah er sie nicht mehr, also stellte er sich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals, um sie wiederzufinden, während er gleichzeitig so tat, als würde er nicht nach ihr Ausschau halten.
Kim stand neben ihm. Sie und Davis waren am Nachmittag eingetroffen, ihr neues Wohnmobil war fast so luxuriös eingerichtet wie Brads Tourbus. Brody war bislang noch nicht aufgetaucht, und Conner hatte offenbar Lonesome Bend nicht so früh verlassen können wie geplant. Stattdessen wollte er am nächsten Morgen nach Stone Creek kommen.
„Wo ist Melissa?“, fragte Kim und stieß Steven leicht mit dem Ellbogen an, als zwischen der Highschoolband und den Leuten des Sheriffs für einige Augenblicke Ruhe einkehrte. „Zeig sie mir.“
Steven stutzte, weil er sich nicht daran erinnern konnte, mit ihr oder Davis über Melissa gesprochen zu haben. Während er noch nach einer passenden Antwort suchte, nutzte Matt das Schweigen und rief aufgeregt: „Da ist sie!“ Dabei zappelte er so aufgeregt auf Stevens Schultern, dass er fast den Halt verlor. „Die richtig hübsche Frau da
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