Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
vorbei zur Kasse, Steven war dicht hinter ihr.
„Es muss doch möglich sein, dass uns diese Anwaltssache nicht im Weg steht“, redete er weiter und hätte Melissa beinahe umgerannt, weil sie so abrupt stehen geblieben war.
Im Geschäft war alles ruhig, und doch schien die Luft zum Zerreißen gespannt zu sein. Martine stand hinter der Theke an der Kasse, aber neben ihr stand Nathan Carter, der den Lauf einer Pistole gegen ihr Kinn gedrückt hielt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und mit ihren Blicken flehte sie abwechselnd Steven und Melissa um Hilfe an.
Steven reagierte instinktiv, fasste Melissa am Arm und zog sie hinter sich. „Legen Sie die Waffe weg“, forderte er Nathan dann mit ruhiger Stimme auf.
Zwar versuchte Melissa, sich um Steven herum nach vorn zu schieben, doch er sorgte dafür, dass sie hinter ihm in Deckung blieb. Carter spannte den Hahn seiner Pistole mit einer fließenden Bewegung, als hätte er sich das bei einem alten Western abgeguckt und dann lange Zeit geübt, um es nun so perfekt anwenden zu können.
Nicht zum ersten Mal ging Steven der Gedanke durch den Kopf, dass viele Kriminelle gar nicht erst auf die schiefe Bahn geraten wären, wenn sie mit der gleichen Energie, die sie in ihre illegalen Aktivitäten steckten, versucht hätten, etwas Vernünftiges zu schaffen.
Martine gab ein leises Wimmern von sich. „Der Geldtransporter war heute hier“, erklärte sie mit zitternder Stimme, während ihr Tränen in die Augen stiegen. „Er hat fast unser ganzes Bargeld mitgenommen. Ich hab nur noch ein paar Hundert Dollar hier, damit ich rausgeben kann.“
„Schnauze!“, herrschte Carter sie an und drückte Martine die Waffe energischer gegen den Hals.
„Ganz ruhig“, warf Steven in dem Tonfall ein, den er sonst bei nervösen Pferden und aggressiv wirkenden Hunden anwandte. „Sie wollen sich doch bestimmt nicht den Ärger einhandeln, der Sie erwartet, wenn Martine etwas zustößt. Glauben Sie mir, das wollen Sie ganz sicher nicht.“
Carter schwitzte, seine Pupillen waren deutlich sichtbar geweitet. Er musste high sein, vielleicht auch betrunken oder sogar beides. Das war gar nicht gut. Drogen, Alkohol und Dummheit waren eine gefährliche Mischung.
„Sie lügt“, knurrte Carter. „Sie will mir nicht sagen, wo das ganze Geld wirklich ist.“
„Ich hab nur das, was in der Kasse ist“, beteuerte Martine mit hoher, durchdringender Stimme. „Durch die vielen Besucher in der Stadt haben viele Leute hier getankt, und wir haben viel Bier und Limo verkauft. Der Chef wollte, dass das Geld zur Bank gebracht wird …“
„Schnauze, hab ich gesagt“, fiel Carter ihr ins Wort, und schneller, als Steven es ihm zugetraut hätte, drehte er die Pistole um und schlug den Griff mit Wucht gegen Martines Schläfe. Das Geräusch erinnerte an einen Baseballschläger, der auf eine Wassermelone auftraf. Melissa stieß einen Schrei aus, aber weniger aus Angst als aus Entrüstung, während Steven mit einem Satz über die Theke sprang, da Carter noch damit beschäftigt war, die Waffe wieder umzudrehen, um sie richtig zu halten.
Ein Schuss fiel, das Schaufenster ging zu Bruch, und die Alarmanlage sprang an.
Steven landete auf Carter, beide gingen dicht neben der reglos daliegenden Martine zu Boden. Hinter der Theke war es eng, und Carter war noch immer im Besitz seiner Waffe. Steven spürte, wie sie quer zwischen ihm und seinem Widersacher eingeklemmt war. Er wusste, dass Carter versuchen würde abzudrücken, wenn es ihm gelang, den Finger um den Abzug zu legen.
Aus der Ferne waren Sirenen zu hören, aber sie waren noch zu weit weg.
Das Ringen um die Kontrolle über die Waffe schien kein Ende zu nehmen, auch wenn es in Wahrheit nur Sekunden dauerte. Dann fiel ein Schuss, und Steven erstarrte in seiner Bewegung, da er darauf wartete, den Schmerz des Treffers zu spüren.
Doch es war Carter, den die Kugel getroffen hatte.
Er sah Steven an, grinste abfällig und schloss die Augen.
Steven richtete sich langsam weit genug auf, um dem Toten die Waffe aus der Hand zu nehmen. Alles war voller Blut, zum Teil stammte es von Martines Platzwunde am Kopf, das meiste jedoch war von Nathan Carter.
Melissa schoss um die Theke herum, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht kreidebleich. Ihr Blick erfasste Steven, wanderte weiter zu Carter und schließlich zu Martine, die sich wieder zu rühren begann und leise stöhnte.
„Bist du getroffen?“, fragte Melissa. Als sie nicht sofort eine Antwort bekam,
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