Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
Steven wanderte, lange bevor sie sich dazu bereit fühlte.
Steven trug eine Jeans, die etwas jüngeren Datums war als die vom Nachmittag, dazu glänzende schwarze Stiefel und ein weißes Hemd ohne Kragen, eines von der Art, die die Männer in der Wildwestzeit bevorzugt hatten. Seine Haare waren vom Duschen ebenfalls feucht, aber im Gegensatz zu Matt stand bei ihm nichts ab. Er duftete wie ein Feld mit frisch erblühtem Klee nach einem leichten Regen.
Melissa glaubte, sich im freien Fall zu befinden, da ihr mit einem Mal die Luft aus den Lungen gepresst wurde, als würde sie ohne Fallschirm auf die Erde zurasen. Dieses Gefühl war verblüffend, es war beängstigend, und vor allem war es rundum wunderbar.
„Ich hoffe, Sie und Matt haben genug Hunger mitgebracht“, hörte sie sich sagen und wunderte sich, wie normal ihr Tonfall klang. Innerlich kam es ihr nämlich immer noch so vor, als würde sie sich auf einer höllischen Achterbahnfahrt befinden.
„Wir sind
ausgehungert“
, antwortete Matt, der sich im Wohnzimmer so aufmerksam umsah wie ein Detektiv auf der Suche nach wichtigen Hinweisen.
Steven lächelte und räusperte sich kurz, dann zog er fragend eine Braue hoch, als Matt sich zu ihm umdrehte.
„Das sind wir doch
wirklich“
, beharrte der Junge und verschränkte die Arme vor der Brust.
Als Steven daraufhin grinsen musste, jagte er Melissa damit unabsichtlich einen elektrisierenden Schauer über den Rücken. Seine Augen, seine so blauen Augen mit einem Hauch von Lavendel, die sie an eine sommerliche Abenddämmerung und an spät blühenden Flieder erinnerten, erfassten gemächlich ihren Körper, wanderten hierhin und dorthin, verharrten kurz an der einen oder anderen Stelle, um unter ihrer Haut ein kleines Feuer zu entfachen. Sein Blick schien eine Ewigkeit zu währen, doch sie wusste genau, dass es nur eine Sache von ein oder zwei Sekunden gewesen war.
„Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass du etwas zu essen bekommst“, wandte sie sich an Matt. Sie war sehr froh, ihn hier zu haben, und nicht nur, weil sie ihn schon jetzt gut leiden konnte. Vor allem war seine Anwesenheit so wichtig, weil sie sonst in ihrer mehr als sonderbaren geistigen Verfassung wahrscheinlich hier, mitten im Wohnzimmer, über Steven Creed hergefallen wäre.
Gut, das war vielleicht ein wenig übertrieben. Aber sie fühlte sich ganz eindeutig zu ihm hingezogen und konnte sich nicht gegen den Eindruck erwehren, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte.
Erst jetzt erinnerte sie sich wieder an ihre Aufgaben als Gastgeberin und führte ihren Besuch in die Küche. Matt steuerte bereits auf den Tisch zu, doch Steven hielt ihn zurück, indem er eine Hand leicht auf dessen Schulter legte.
„Wo können wir uns die Hände waschen?“, fragte er.
Sie deutete in den Flur. „Das Badezimmer ist dahinten.“
Die Creed-Männer verschwanden in die angedeutete Richtung, ein paar Minuten später kehrten sie in die Küche zurück – gerade als Melissa das Essen auf den Tisch stellte. Da sie auch keine Platte besaß, auf der sie es hätte servieren können, ließ sie es einfach in Ashleys Auflaufform, in der es auch eingefroren gewesen war.
„Ist das Hühnchen?“, fragte Matt, der die halbierten Stubenküken ein wenig argwöhnisch betrachtete.
„Ja“, antwortete Steven lachend. „Das ist Hühnchen.“ Er sah zu Melissa, als wartete er auf irgendetwas.
Nach einem Moment betretenen Schweigens zeigte Melissa auf einen der Stühle. Steven zog ihn nach hinten, damit Matt hinaufklettern konnte.
„Kann ich mit den Fingern essen?“, wollte der Junge wissen.
Ohne den Blick von Melissa abzuwenden, erwiderte Steven: „Schön, dass du erst fragst, Tex, aber du kannst nicht mit den Fingern essen.“
Schließlich erkannte sie, dass Steven so lange stehen bleiben würde, bis sie sich hingesetzt hatte. Sie machte einen Schritt auf den mittleren Stuhl zu und fühlte sich auf eine ganz eigenartige Weise verlegen, als sie darauf wartete, dass er den Stuhl für sie nach hinten zog.
Als er endlich auch Platz nahm, bemerkte sie ein Funkeln in seinen Augen.
„Ich glaube nicht, dass das wirklich Huhn ist“, erklärte Matt skeptisch, während er ganz genau den Inhalt der Auflaufform begutachtete.
Melissa wünschte, sie hätte etwas anderes zum Essen ausgewählt, etwas Kinderfreundlicheres wie Pizza oder Hamburger oder Hotdogs.
Steven spießte ein Stubenküken mit der Serviergabel auf, legte es auf seinen Teller und schnitt es in mundgerechte
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