Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
und er brachte keinen Ton heraus. Er konnte nichts anderes tun, als aus dem Wagen auszusteigen. Neben der Fahrertür blieb er stehen und starrte in Richtung der Berge, bis er die Fassung zurückerlangt hatte.
Als er sich umdrehte, sah er, dass Matt und Zeke beide das Gesicht gegen die Seitenscheibe drückten, die von ihrem Atem beschlug.
Lachend öffnete er die Tür, zog sie aber langsam auf, damit Zeke nicht auf die Idee kam, über Matt und dessen Kindersitz zu springen und womöglich kopfüber auf dem Boden zu landen.
„Ich finde, das ist eine tolle Idee“, erklärte Steven.
„Dann kann ich ‚Dad‘ zu dir sagen?“
„Ja“, bekräftigte er und zog ein wenig den Kopf ein, während er die Gurte öffnete. „Du kannst ‚Dad‘ zu mir sagen.“
„Das ist gut“, meinte Matt, dann folgte eine Pause. „Dad?“ Er sprach ganz leise, als müsste er das Wort erst üben.
„Ja?“, brachte Steven heraus, hob den Jungen aus dem Wagen und setzte ihn auf dem Boden ab. Anschließend kümmerte er sich um den Hund.
„Wieso hast du so rote Augen?“
Steven zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Unterarm übers Gesicht. „Das liegt wahrscheinlich am Staub.“ Er tat so, als begutachtete er kritisch den strahlend blauen Himmel. „Ein ordentlicher Regen wäre jetzt eine gute Sache.“
„Hallo?“ Melissa klopfte an die Küchentür im Haus ihrer Schwester, obwohl sie sie bereits einen Spaltbreit geöffnet hatte und einen Blick nach drinnen werfen konnte. „Irgendjemand zu Hause?“
Niemand antwortete, doch aus dem Esszimmer hörte sie Stimmen. In der Auffahrt hatte kein Wagen geparkt, daher hatte sie geglaubt – und gehofft –, die freizügige Truppe könnte unterwegs sein, um irgendwo Minigolf zu spielen oder ins Kino zu gehen. Zu gern hätte sie sich aus der Kühltruhe bedient und unbemerkt das Haus wieder verlassen, aber sie fürchtete, einer der älteren Gäste könnte in die Küche spazieren und vor Schreck über ihre Anwesenheit einen Herzinfarkt bekommen.
Darum ging sie bis zur Mitte des Zimmers und rief erneut: „Hallo?“
Diesmal wurde man auf sie aufmerksam.
„Melissa, sind Sie das?“, rief eine gut gelaunte Frauenstimme.
„Ja“, antwortete sie, atmete tief durch, ging zur Tür, die zum Esszimmer führte, und drückte sie auf.
Die Gäste saßen an einem Ende des großen Esstischs und spielten Karten. Und jeder von ihnen war vollständig angezogen.
Dieser Anblick erleichterte Melissa so, dass sie ein nervöses hohes Kichern von sich gab und eine Hand auf ihre Brust legte. Wie amüsiert wären Ashley, Olivia und Brad, wenn sie sie jetzt sehen könnten. In ihrer Familie war sie eigentlich diejenige, die als nicht besonders prüde galt. Ihre Geschwister hätten ihre helle Freude gehabt, dass sie mit einem Mal Angst vor nackten Krocketspielern verspürte.
„Setzen Sie sich doch zu uns“, forderte Mr Winthrop sie auf und erhob sich von seinem Platz. „Wir spielen Gin Rommé, aber wir kennen uns schon so lange, dass jeder mit den Tricks der anderen bestens vertraut ist.“
Das glaube ich euch aufs Wort, dachte Melissa, doch wenn sie die erste peinliche Begegnung aus ihrem Gedächtnis strich, musste sie sagen, dass sie diese Leute tatsächlich mochte. Sie besaßen Lebensfreude, Fantasie und Falten. Jede Menge Falten.
„Oh, ich kann nicht bleiben“, erwiderte sie mit einem bedauernden Tonfall, der nur zum Teil vorgetäuscht war. Sie selbst spielte gern Gin Rommé, und außerdem waren alle angezogen. „Ich bekomme heute Abend Besuch und muss mir ein paar Dinge bei meiner Schwester borgen.“ Im Rückwärtsgang verließ sie das Esszimmer. „Viel Spaß bei Ihrem Spiel.“
„Nehmen Sie aber nicht die gebratene Ente mit“, rief eine der Frauen, die die Karten mischte. „Die hat Ihre Schwester uns nämlich versprochen. Das ist Herberts Lieblingsessen, und er wird morgen neunzig.“
„Okay, die Ente werde ich nicht anfassen“, versprach Melissa und verließ den Raum. Lächelnd ging sie in den großen Vorratsraum gleich neben der Küche, in dem zwei ausladende randvolle Kühltruhen standen. Die eine beherbergte Desserts, die andere Hauptgerichte.
Sie entschied sich für Stubenküken mit Cranberrys und Wildreis, 6 Portionen. Hoffentlich war Matt wie die meisten Kinder und mochte Hühnchen, was dieses Gericht in gewisser Weise ja war.
Als Dessert nahm sie einen Blaubeerkuchen mit.
Schmeckt am besten mit Vanilleeis
, hatte Ashley auf dem Aufkleber vermerkt. Fast schien es so, als
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