Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
herumfuchtelte.
„Ja, ja, ist schon gut.“ Amüsiert nahm er ihm das Blatt aus der Hand und betrachtete das Bild. Es zeigte drei Strichmännchen – einen Mann, eine Frau und einen kleinen Jungen. Neben ihnen standen ein Strichhund und ein Strichpferd vor einem Gebäude, das sich bedenklich nach rechts neigte.
Etwas rührte sich in Stevens Herz. Traurigkeit war es nicht, aber auch keine Freude, sondern eher etwas, das sich irgendwo dazwischen bewegte und das er nur mit dem Begriff „bittersüß“ bezeichnen konnte.
„Das bist du“, erklärte Matt und zeigte auf die erste Figur. „Und das ist Melissa.“ Wen das Kind und der Hund darstellen sollten, war klar. Das Pferd diente wohl als Gedächtnisstütze.
„Das ist … toll“, sagte Steven nach einer kurzen Pause. Er dachte eigentlich, er wäre mittlerweile an die Dinge gewöhnt, die der Junge von sich gab, doch dieses Bild bewies das Gegenteil. Er suchte nach den richtigen Worten, mit denen er Matt warnen konnte, nicht all seine Hoffnung auf Melissa zu setzen, aber er wusste nicht, wie er das anstellen sollte, ohne ihm gleich all seine Illusionen zu rauben.
„Wenn ich Melissa das nächste Mal sehe, schenke ich ihr das Bild“, verkündete Matt.
Stevens Kehle war wie zugeschnürt, und er brachte es nicht fertig, dem Jungen in die Augen zu sehen. „Matt …“
„Ja, ich weiß“, unterbrach ihn der Fünfjährige gut gelaunt. „Du bist noch nicht mit Melissa verheiratet, und ich soll nicht schon ganz begeistert sein und Pläne schmieden …“
Während der Rückfahrt zur Ranch hing Steven schweigend seinen Gedanken nach. Er konnte sich tatsächlich vorstellen, mit Melissa verheiratet zu sein, auch wenn er das bislang noch nie versucht hatte. Allerdings hatte er keine Ahnung, wie sie zu diesem Thema stand. Zugegeben, im Bett hatten sie jede Menge Spaß gehabt, aber ihm war auch der verletzte Ausdruck in Melissas Augen im Gedächtnis geblieben, als sie von dem letzten Mann in ihrem Leben gesprochen hatte, der ihr so wehgetan hatte, dass sie noch immer nicht ganz darüber hinweg war.
Und natürlich hatte sie auch noch ihre Karriere, das Haus und ihr eigenes Leben, das mit seinem überhaupt nichts zu tun hatte. Was hätte jemand wie Melissa O’Ballivan davon, sich an diesem Punkt ihres Lebens an einen Mann zu binden?
Sex? Dafür musste sie so wenig verheiratet sein wie er.
„Dad?“ Matt riss ihn aus seinen Gedanken, indem er sich vorbeugte und an Stevens Hemd zerrte, während dieser den Wagen vor dem Tourbus ausrollen ließ.
Er sah den Jungen überrascht an. „Was ist denn?“
Matt zeigte vage nach vorn. „Wem gehört der Truck da?“
Beim Anblick des fraglichen Wagens hatte Steven das Gefühl, einen Schlag in den Magen zu bekommen. Der schwarze Dodge voller Beulen und Kratzer gehörte niemand anderem als Brody Creed.
Steven befreite Matt aus seinem Sitz und setzte ihn neben dem Wagen ab. „Du wartest hier“, forderte er den Jungen auf, dann ging er zum Truck seines Cousins.
Matt hätte ebenso gut ein geborener Creed sein können, da er nie auf das hörte, was man ihm sagte. Allerdings merkte Steven das erst, als er Brodys Wagen erreicht hatte, der mit geöffneten Seitenscheiben im hohen Gras stand.
„Habe ich dir nicht gerade eben etwas gesagt?“, fragte er energisch, als er sah, dass Matt dicht hinter ihm war.
Der Junge verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit einem störrischen Ausdruck in den Augen an. „Vielleicht brauchst du ja Hilfe“, erklärte er selbstbewusst.
Daraufhin konnte Steven nur seufzen. Er drehte sich zum Wagen, stieg aufs Trittbrett und sah in die Fahrerkabine. Brody lag quer auf den Sitzen, den Hut hatte er ins Gesicht geschoben, um die Augen abzuschirmen.
Steven riss die Tür auf, wodurch Brodys Füße den Halt verloren und wegrutschten. Das weckte seinen Cousin, der wie üblich sofort eine Angriffshaltung einnahm. Er schob den Hut nach hinten, damit er etwas sehen konnte, und setzte ein breites Grinsen auf. „Verdammt, Boston, du hast mir einen höllischen Schreck eingejagt.“
Einerseits freute sich Steven darüber, Brody wiederzusehen, doch unter diese Freude mischte sich auch Ärger. Der Mann war jahrelang wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Einzig eine schäbige Weihnachtskarte, die immer erst Mitte Januar eintraf, lieferte den Beweis, dass er noch lebte.
„Du siehst ja aus wie Onkel Conner“, rief Matt erstaunt, dessen helle Stimme Steven glücklicherweise noch rechtzeitig daran
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