Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
seine Tante Ona. Und was hat er dir geschrieben?“
„Dass er glaubt, dass du mit jemandem namens Steven Creed schläfst“, antwortete ihre Schwester, ohne zu zögern.
Bei jedem anderen hätte Melissa alles abgestritten, aber Ashley konnte sie nicht belügen, dafür kannten sie sich einfach zu gut. Außerdem wollte sie das auch gar nicht. „Nerven hat dieser Kerl“, beklagte sie sich trotzdem und sagte weiter nichts. Normalerweise half das nichts, trotzdem kam es in seltenen Fällen vor, dass Ashley nicht weiter nachfragte. Und vielleicht litt sie ja noch unter dem Jetlag.
Doch diese Hoffnung zerschlug sich im nächsten Moment.
„Und? Stimmt es?“
Melissa vergewisserte sich, dass Katie noch schlief und die älteren Gäste nach wie vor im Garten tanzten, bevor sie antwortete: „Das ist nichts von Dauer. Ich weiß ja nicht, wie Tom es formuliert hat.“
Ashley kicherte. Hätte sie nicht Shorts und Top, sondern ein langes wallendes Kleid getragen, wäre sie in diesem Moment als eine Dame aus der viktorianischen Zeit durchgegangen. „Nichts von Dauer? Was soll denn das heißen, Schwesterchen?“
Melissa kehrte zum Tisch zurück und ließ sich auf den Stuhl sinken. Sie fühlte sich einerseits seltsam aufgewühlt, andererseits aber auch wie verrückt vor Glück. „Das soll heißen, dass es
ein Mal
passiert ist. Letzte Nacht. Wir kennen uns erst seit letzter Woche. Er ist Anwalt und heißt Steven Creed. Sonst noch Fragen?“
„Ungefähr tausend“, gab ihre Schwester zurück.
Draußen wurden Stimmen laut, und ein klägliches Miauen ertönte. Jack war zurück und hatte Mrs Wiggins mitgebracht.
„Die werden sich wohl noch eine Weile gedulden müssen“, meinte Melissa trocken.
„Sieht so aus“, pflichtete Ashley ihr bei und schenkte den Tee ein.
Jack kam in die Küche, in einer Hand die Transportbox, in der ein weißes Fellknäuel zu sehen war. Sofort legte Ashley den Zeigefinger an die Lippen und zeigte auf das schlafende Mädchen. Das Gesicht des Mannes strahlte vor Liebe für seine Frau und seine Tochter. Er nickte, gab Ashley einen Kuss auf den Mund und öffnete leise die Transportbox, um Mrs Wiggins zu befreien. Gleichzeitig schaffte er es auch noch, Melissa zuzuzwinkern und sie mit einem lautlosen Hi zu begrüßen.
Ashley bückte sich, um Mrs Wiggins zu streicheln, die zweifellos beleidigt war, dass ihre Leute sie so lange im Stich gelassen hatten. Sie miaute einmal mürrisch und verschwand ins Esszimmer.
Im gleichen Moment musste Melissa niesen.
„Um Himmels willen“, stöhnte Ashley leise. „Du bist
nicht
allergisch.“
Wieder nieste Melissa.
Jack deutete mit dem Daumen über die Schulter nach draußen. „Mamie Crockett hat mir in der Einfahrt aufgelauert“, sagte er in der gleichen Lautstärke wie seine Frau, um das Kind nicht zu wecken. „Sie hat mir vorgeworfen, dass unsere Gäste die ganze Zeit über einen Höllenlärm veranstaltet haben.“
„Mamie ist eine nette alte Dame“, entgegnete Ashley. „Aber sie scheint nicht glücklich zu sein, wenn sie sich nicht über irgendetwas beschweren kann.“
„Das stimmt“, warf Melissa ein.
Kopfschüttelnd sagte Jack in einem bewundernden Tonfall: „Ich hoffe, ich bin mit neunzig auch noch so fit wie die da draußen. Wenn dann jemand die Polizei ruft, weil ich zu laut Tangomusik spiele, werde ich das als Kompliment werten. Ob die auch noch Fallschirmspringen machen?“, fragte er im Scherz. „Oder auf einem elektrischen Bullen reiten?“
„Wundern würde mich das nicht“, meinte Melissa.
In diesem Moment wachte Katie auf, setzte sich hin und zog sich an den Gitterstäben ihres Laufstalls hoch, dann begann sie zu heulen.
„Du bist dran“, sagte Ashley zu Jack und aß einen Brownie, bevor sie den Teller auf den Tisch stellte.
Jack hob das Mädchen aus dem Laufstall und küsste es auf die Wange. „Zu spät“, meinte er nur, als er den windelgepolsterten Po abtastete, und verließ mit dem Kind die Küche, um nach oben zu gehen.
Für Melissa war es kaum vorstellbar, dass Jack McKenzie heute Windeln wechselte, wenn sie bedachte, dass er bis vor Kurzem noch als Chef eines hochkarätigen Sicherheitsdienstes Männer, Frauen und Kinder aus dem südamerikanischen Dschungel oder anderen politisch explosiven Regionen gerettet hatte. Das Unternehmen gehörte ihm zwar immer noch, und er traf sich auch gelegentlich mit Klienten und seinen leitenden Angestellten, aber das geschah stets weit weg von Frau und Kind. Insgesamt schien er
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