Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
Entwurf gearbeitet, wochenlang genäht, wieder aufgetrennt und erneut genäht.
Der Rock war erlesen schön, changierend und schimmernd, ein Fantasiegebilde zum Anziehen – von der Art, wie originelle Frauen wie Ardith Sperry sie zu Feierlichkeiten und Premieren trugen.
Doch Carolyn hatte ihn nicht für die Figur eines Filmstars geschneidert. Er hatte etwa Größe 40 bis 42 und reichlich Spielraum in den Nähten, damit er individuell angepasst werden konnte.
Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr hatte Carolyn eine kurvige Achtunddreißiger-Figur. Den Rock hatte sie mit Absicht für eine größere Frau als sie selbst zugeschnitten, da ihr die Trennung von dem guten Stück sonst sehr schwer gefallen wäre.
Derartig wohlüberlegte Opfer hatte sie oft gebracht, seit sie als Zehntklässlerin angefangen hatte zu nähen. Als sie die Grundlagen beherrschte, brauchte sie nicht einmal mehr Schnittmuster. Praktisch vom ersten Tag an hatte sie selbst Entwürfe gezeichnet, Maß genommen und den Stoff nachgemessen, zugeschnitten und zusammengenäht.
Und sie hatte sich schnell einen Namen gemacht. Während andere Schülerinnen sich mit Babysitten und Hamburger-Braten ihr Taschengeld verdienten, schneiderte Carolyn Unikate und verkaufte sie.
Damit gab es schon zwei Dinge, die sie gut konnte, hatte sie damals mit einer Begeisterung festgestellt, die sie heute noch spürte. Sie hatte außerdem ein gutes Händchen für Pferde; es war, als hätte sie schon immer reiten können.
Im Lauf der Jahre hatte sie alle möglichen Pferde geritten, da die meisten ihrer Kinderheime in ländlichen Gebieten gelegen hatten, wo sich immer jemand fand, der fürs Ausmisten der Ställe eine Reitgelegenheit bot.
Entschlossen schüttelte sie die nachdenkliche Stimmung ab, griff nach dem Rock, befreite ihn behutsam aus der Plastikhülle und hielt ihn hoch, um das changierende Farbenspiel all dieser Bänder und das Blinken der Glasperlen zu bewundern.
Es war albern, aber sie war versessen auf diesen Rock.
Abgesehen von dem Geld, das der Verkauf ihr einbringen würde und das sie – wie immer – gut brauchen konnte, wo sollte sie jemals ein solches Kleidungsstück tragen? Sie lebte in Jeans, Baumwolltops und Westernstiefeln, und zwar aus gutem Grund. In ihrem Herzen war Carolyn ein Cowgirl,keine berühmte Schauspielerin, keine Managergattin und auch kein Covermodel für Glamour.
Mit einem Seufzer hängte sie den Rock wieder an seinen Haken an der Schlafzimmertür – aus den Augen, aus dem Sinn.
Sie trat an den kleinen Schreibtisch, den Tricia bei ihrem Umzug auf die Ranch zurückgelassen hatte, und fuhr ihren Laptop hoch. Während das Gerät sich summend, grummelnd und piepsend in Arbeitsbereitschaft versetzte, erhitzte Carolyn in der Mikrowelle einen Becher Wasser, um sich einen Tee zu machen.
Winston, der von der Fensterbank aus immer noch den Garten überwachte, jaulte leise. Sein Schwanz zuckte hektisch hin und her. Er hatte das Fell gesträubt, aber die Ohren nicht angelegt, sondern nach vorn gerichtet. Während Carolyn noch versuchte, seine Körpersprache zu deuten, hörte sie jemanden die Außentreppe heraufkommen.
Eine Brody-artige Gestalt tauchte im Milchglasoval der Tür auf und hob eine Hand, um anzuklopfen. Doch bevor er dazu kam, hatte Carolyn bereits die Tür aufgerissen.
„Das glaube ich jetzt nicht“, sagte sie.
Auf der Fensterbank verlieh Winston mit einem neuerlichen leisen Jaulen seinem Missfallen Ausdruck.
„Was für ein Problem hat diese Katze eigentlich?“, fragte Brody finster und glitt geschmeidig an Carolyn vorbei in die Wohnung.
Carolyn schloss die Tür mit Nachdruck.
„Winston“, sagte sie steif, „ist ein äußerst scharfsichtiger Kater.“
Brody seufzte, und als Carolyn sich zwang, ihn anzusehen, musterte er mit einem Ausdruck verletzter Fassungslosigkeit auf dem schönen Gesicht Winston.
„Mag er Conner?“, erkundigte er sich.
„Ja“, antwortete sie nach kurzem Zögern. Jedes Mal wenn sie Brody traf, brachte er sie emotional aus dem Gleichgewicht,aber sie hasste ihn nicht. Jedenfalls nicht immer. Und es machte ihr keinen Spaß, ihn herunterzuputzen. „Aber das darfst du nicht persönlich nehmen.“
„Du hast leicht reden“, erwiderte Brody.
„Tricia geht’s doch gut, oder?“ Das war’s, sagte sie sich dann. Er kommt mit schlechten Nachrichten. Warum sonst sollte er den weiten Weg von der Ranch, wo er mit Conner und den Leuten Zäune ausbessern musste, noch einmal auf sich nehmen?
Offenbar
Weitere Kostenlose Bücher