Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
Vegas.
Herrgott, im Grunde war es nicht einmal eine Verabredung.
Trotzdem ließ die Vorstellung ihre Nervenenden vibrieren und zucken wie unter Strom.
Was sie brauchte, war eine Art emotionale Versicherung – Schutz vor Brodys Handlungen –, und die bekam sie nur auf eine Weise – indem sie sich mit anderen Männern traf. Mit so vielen Männern, wie vernünftigerweise nötig waren.
Das würde sie nicht nur schützen und einen sicheren Abstand zwischen ihr und Brody schaffen und aufrechterhalten, mit etwas Glück könnte sie sich tatsächlich in einen von ihnen verlieben und Brody endgültig vergessen.
Was als Schutzmechanismus begann, könnte sich als die Art von wahrer und beständiger Liebe erweisen, die sie sich immer schon erträumt hatte.
In jedem Fall würde sie es ganz entschieden und aufrichtig versuchen.
Sie antwortete auf Brodys Nachricht mit einem nüchternen „Okay“. Dann sah sie nach ihren neuen Nachrichten.
Es war schon befriedigend zu wissen, dass sie bei Friendly Faces beliebt war. Fünf verschiedene Männer wollten ihre Bekanntschaftmachen, drei aus Denver und der näheren Umgebung und zwei direkt aus Lonesome Bend.
Mit gerunzelter Stirn versuchte Carolyn, die beiden Einheimischen zu identifizieren. Sie betrachtete ihre Fotos, konnte aber keinen von ihnen klar einordnen.
Beide waren durchschnittlich attraktiv und in den Dreißigern.
Richard war groß, falls seine Biografie stimmte, hatte dunkles Haar und braune Augen. Er war technischer Redakteur, geschieden, kinderlos und erst vor einem Monat nach Lonesome Bend gezogen. Da er zu Hause arbeitete, hatte er noch nicht viele Freunde gefunden.
Er kochte gern, liebte Hunde, litt aber an einer heftigen Katzenhaarallergie.
In Gedanken an Winston beförderte Carolyn Richard in den Papierkorb.
Der andere Kandidat hieß Ben und war wie Richard erst vor Kurzem hergezogen. Er war Witwer, hatte ein sympathisches Lächeln, eine neunjährige Tochter und einen Job, der ihn in sämtliche westlichen Bundesstaaten führte, wo er Waldbrände bekämpfte.
Er sah nett aus, was keinesfalls hieß, dass er sich die ganze Geschichte nicht ausgedacht hatte: die Tochter, den abenteuerlichen Beruf und die verstorbene Frau.
Trotzdem, wenn sie überhaupt eine Chance gegen Brody Creed und seine zahlreichen fragwürdigen Reize haben wollte – vorausgesetzt, er beabsichtigte überhaupt, sie mit seinem mühelosen Charme zu betören –, musste sie jetzt irgendetwas unternehmen, um die sprichwörtliche Kugel ins Rollen zu bringen.
Nach einem tiefen Durchatmen beantwortete Carolyn Bens freundliche Anfrage mit einer kurzen, leicht gehaltenen Mail. Da sie nicht bereit war, zu viele Informationen preiszugeben – Lonesome Bend war schließlich eine Kleinstadt –,überlegte sie sich ihre Antworten genau.
Ben reagierte sofort. Hatte der Mann nichts Besseres zu tun, als vor dem Computer zu hocken und darauf zu warten, dass seine Probemitgliedschaft bei Friendly Faces Früchte trug?
Hi, Carol , schrieb er. Schön, von dir zu hören. Sozusagen.
Carolyn sagte sich, dass das, was sie gerade tat, möglicherweise auch als Vor-dem-Computer-Hocken bezeichnet werden konnte, und sie hatte ganz sicher Besseres zu tun. Also stieg sie lieber von ihrem hohen Ross und antwortete: Dein Foto gefällt mir.
Was sie nicht schrieb: Mir gefällt, dass du deine Tochter nach dem Tod deiner Frau nicht im Stich gelassen hast.
Falls du überhaupt eine Tochter hast.
Falls es nicht doch eine Frau gibt, eine sehr lebendige, die dir in diesem Moment arglos deine Lieblingsmahlzeit kocht oder eines deiner Hemden bügelt, ohne zu wissen, dass du im Internet mit anderen Frauen flirtest.
Carolyn zügelte ihre Fantasie, doch es war nicht einfach, und sie wusste nicht, wie lange sie verhindern konnte, dass sie wieder mit ihr durchging.
Deines gefällt mir auch , antwortete Ben. Onlinedating ist neu für mich. Und für dich?
Völlig neu , bestätigte Carolyn. Und peinlich.
Was du nicht sagst , antwortete Ben.
Carolyn holte noch einmal tief Luft. Was hat dich nach Lonesome Bend geführt, Ben?
Die Frage erschien ihr ziemlich unverfänglich.
Ich wollte Ellie in einer Kleinstadt aufwachsen lassen, und die Familie meiner verstorbenen Frau lebt in der Nähe.
Wie schön. Wo hast du vorher gelebt?
In L. A. Ich habe keine Angst vor einem Waldbrand, aber der Verkehr auf der 405 ist eine andere Sache, besonders wenn Ellie im Auto sitzt.
Ben war ein verantwortungsbewusster Vater und hatte Sinn für
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