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Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Titel: Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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sagte sie sich. In einer Stunde musste sie den Laden öffnen, und vorher wollte sie noch duschen und sich umziehen.
    Doch die Stille, die Bäume, das verhaltene Vogelgezwitscher, all das war Balsam für ihre Seele.
    Irgendwann erwies sich die sinnliche Anziehungskraft des Wassers als unwiderstehlich. Und Carolyn, die selten spontan handelte, trat entschlossen aus ihren Stiefeln, zog die Sockenaus und watete in das himmelblaue Wasser von Hidden Lake.
    Das Wasser war warm und weich wie flüssige Seide.
    Carolyn krempelte ihre Jeans hoch bis zu den Knien und watete tiefer in den See. Der Seeboden war mit kleinen glatten Steinchen bedeckt, die ihre Fußsohlen bearbeiteten wie die Finger einer begabten Masseuse.
    Den Kopf in den Nacken gelegt und mit geschlossenen Augen gab Carolyn sich ganz ihren Gefühlen hin – dem Frieden, der Köstlichkeit des Wassers, der zärtlichen Glätte der kleinen Steine unter ihren Fußsohlen, dem Sonnenschein, gefiltert von den Zweigen der Pappeln, die wie hohe, den Himmel tragende Säulen über dem See aufragten.
    Trotz aller Dinge, die sie, wenn es überhaupt möglich gewesen wäre, in ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gern geändert hätte, zählte Carolyn in diesem Moment nur die guten.
    Sie war jung, sie war gesund, und sie liebte ihr Leben.
    Sie liebte ihre Arbeit im Laden. Sie nähte gern, sie ritt gern und sorgte gern für Winston. Sie liebte ihre Freunde und ihre bescheidene Wohnung und die Stadt Lonesome Bend in Colorado, die ihr erschien wie eine Familie, auch wenn sie es nicht war.
    Blossom wieherte und ließ Carolyn aufhorchen.
    Sie drehte sich um und sah, wie die Stute weiter die Uferböschung hinaufstieg, um freudig das süße Gras zu rupfen. Die Zügel waren locker um den Sattelknauf gelegt.
    Der Drang, sich nackt auszuziehen und im See zu schwimmen, überfiel Carolyn urplötzlich und überwältigte sie geradezu. Also schlüpfte sie aus ihren Kleidern und legte sie zu dem Flanellhemd auf den trockenen Felsblock. Dann tauchte sie in den See, rang unter der anfänglichen Kälte nach Luft, gewöhnte sich aber rasch daran. Sie schwamm hinaus in tieferes Wasser, drehte sich auf den Rücken, ließ sich treibenund blickte zum Himmel auf, der so blau war, dass es beinahe wehtat.
    Es war ein Gefühl der Zeitlosigkeit, und Carolyn trieb irgendwie in einer Zauberwelt, parallel zu der, in der sie gewöhnlich lebte.
    Auf einmal hörte sie ein Geräusch – ein anderes Pferd irgendwo ganz in der Nähe.
    Mit klopfendem Herzen begann Carolyn, Wasser zu treten. Aus schmalen Augen suchte sie unter den Bäumen nach einem Hinweis auf einen Eindringling.
    Jetzt herrschte Stille – sogar die Vögel hatten aufgehört zu singen.
    Carolyn hatte eindeutig ein Pferd gehört, und Blossom war es nicht gewesen. Die Stute graste immer noch.
    „Wer ist da?“, rief Carolyn ein bisschen unsicher, während ihr grausige Schlagzeilen durch den Kopf schossen.
    Frau an einsamem See tot aufgefunden …
    Ortsansässige Geschäftsfrau stirbt bei brutalem Überfall …
    Schon wieder ging ihre Fantasie mit ihr durch.
    Wahrscheinlich hatte sie ein Reh gehört, oder, da auf dem Creed-Land ja überall Vieh weidete, eine Kuh oder ein Pferd.
    Doch stattdessen tauchte Brody auf, ritt unter den Pappeln hindurch und schwang sich vom Rücken seines Wallachs Moonshine. Er lächelte, setzte den Hut ab und hängte ihn über den Sattelknauf, und er beruhigte die aufgestörte Blossom mit einem leisen Wort und klopfte ihr den Hals.
    Carolyns Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann dreimal so schnell wie vorher. So etwas passierte nur in Romanen oder alten Filmen.
    So etwas passierte nicht ihr, jedenfalls nicht im wahren Leben. Hin und wieder kamen Fantastereien vor, aber das waren – nun ja – eben nur Fantastereien .
    „Sind das deine Sachen?“, fragte Brody milde und wies miteiner Kopfbewegung auf den Felsblock und das Bündel abgelegter Kleider.
    „Wem sollten sie wohl sonst gehören?“, wollte sie wissen. „Und was tust du hier? Bist du mir gefolgt?“
    „Davis hat mich losgeschickt, die Zäune abreiten“, erwiderte Brody und zog einen Stiefel aus. „Das ist eines seiner Rezepte gegen Übellaunigkeit. Harte Arbeit oder ein ausgedehnter Ritt. Zufällig habe ich gesehen, wie du und Blossom den Weg verlassen habt, und beschlossen, euch zu folgen und mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“
    Er zog den anderen Stiefel aus.
    Erinnerungen an das letzte Mal, als sie und Brody zusammen an diesem Ort

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