Die Crock-Expedition
verzichtet hatte, zog sie ungeschickt seinen Kopf herab und küßte ihn scheu, nur mit einer flüchtigen Berührung, und huschte ohne ein Wort ins Haus.
Der Widerstreit zwischen Valeries innerer Glut und äußerer Kühlheit hätte um ein Haar ihrer Beziehung einen vorübergehenden Charakter verliehen. Sie sprach nie von Liebe und ließ ihn nie davon sprechen, doch jede Nacht küßte sie ihn leidenschaftlicher und begehrlicher, und eines Nachts, als sie sich sehr lange unterhalten hatten und ihr Vater bereits zu Bett gegangen war, gab sie ihm deutlich – und deutlicher, als es mit Worten möglich gewesen wäre – zu verstehen, daß sie seine körperliche Liebe wünschte.
Blake, der sehr viel Geduld aufgebracht hatte, befand sich mittlerweile vor Verlangen nahezu im Zustand der Verzweiflung, doch er beherrschte sich, infolge der plötzlichen Erkenntnis, daß eine Schwäche nur Unglück über sie und ihn bringen konnte. Nur weil sie sich der eigenen natürlichen Triebe schämte, war sie dazu imstande, ihn körperlich sowohl zu begehren als auch ihn zu erregen und sich am nächsten Tag zu weigern, über solche Dinge zu sprechen. Falls er sie genommen hätte wie irgendein Mädchen irgendeines Raumhafens, würde ihre Scham die Oberhand gewonnen und würde sie ihn aus ihrem Herzen verbannt haben, hätte ihn nicht wiedersehen wollen; und er müßte sie zurücklassen wie irgendein Mädchen irgendeines Raumhafens, sie halb genotzüchtigt und in Tränen aufgelöst, er als halb unfreiwilliger Gelegenheitsliebhaber.
Am Tag, nachdem der Frachter eingetroffen war, dem Tag, bevor CHART 427 starten sollte, sah er sie nochmals. »Willst du mich heiraten, Valerie?« fragte er ruhig.
Sie schnappte nach Luft. »Das ist unmöglich. Du bist Raumfahrer. Vielleicht kehrst du nie nach Crock zurück.«
»Ich würde den Navy-Dienst aufgeben.«
»Nein, Ken, nein! Das ist dein Leben! Und du sollst ein eigenes Schiff bekommen … Könnte ich dich nicht begleiten? Als dein Fotograf?«
»Es würde nicht genügen«, sagte er leise. »Du könntest mich nicht heiraten. Und ich möchte nicht nur dich heiraten, Valerie, ich möchte Kinder. Und als CHART-Mitarbeiter können wir nichts davon verwirklichen.«
»Es ist verboten?«
»Es ist verboten und völlig ausgeschlossen. Man kann heranwachsende Kinder nicht auf Überlichtflug mitnehmen und nicht in Tiefkühlschlaf versetzen, und man kann weder das eine noch das andere mit schwangeren Frauen tun. Nein, ich gebe die Navy auf und bleibe bei dir.«
»Du könntest in der Navy bleiben«, sagte sie, indem sie ihn ernstzunehmen begann. »Im Stützpunkt wären sie froh, wenn sie dich …«
Er schüttelte den Kopf und lächelte, obwohl es ihn Überwindung kostete. »Der Stützpunkt wird von einem Lieutenant geleitet, Valerie. Ich bin Lieutenant-Commander … Wie auch immer, ein Innendienstposten ist nichts für mich. Lieber arbeite ich in einer Mine … Aber zunächst antworte mir unmißverständlich – willst du mich heiraten?«
»Ich glaube, wenn ich dich liebte«, flüsterte sie, »würde ich nein sagen. Aber ich liebe dich so sehr, daß ich nichts sagen kann als ja.«
Das war das erste Mal, daß sie überhaupt eingestand, ihn zu lieben.
Im Chronophantasmus durchlebte Blake die nächsten zwei Jahre und sechs Monate, und er mochte es, sie wiederzuerleben. Er war wundervoll glücklich mit Valerie, so glücklich, daß er, im Gegensatz zu Spring, der einige Jahre zuvor ähnliches mit Marie erlebt hatte, die Navy nicht vermißte.
Der entscheidende Unterschied lag womöglich in den Charakteren der beiden Männer. Spring hatte sich von CHART abgewandt, aber nie nach der CHART-Tätigkeit zu streben aufgehört. Blake, der CHART für Valerie aufgegeben hatte, gab damit auch sein Interesse an CHART auf. Wäre es ihm unmöglich gewesen, für Valerie die Raumfahrt zu vergessen, hätte er ihr niemals die Ehe angetragen.
Auch sie bekamen eine Tochter, eine große Freude für beide, aber eine herbe Enttäuschung für Valeries sanftmütigen freundlichen, kleinen Vater, der sich nichts so sehr wie einen Enkelsohn ersehnt hatte. Sie nannten sie Georgina, und diese Geste entzückte den kleinen Mann in solchem Maße, daß er sich alle Mühe gab, Valeries Tochter so zu lieben wie einen Sohn, und schließlich fiel es ihm recht leicht.
Chronophantasmen waren lebensecht. Blake, dreizehn Jahre später mit CHART 427 in der Zeitfalte, erlebte jeden Tag, jede Stunde, jede Minute genauso, wie es damals geschehen
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