Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch

Anwesenheitspflicht gibt“, stellte Valerian fest.
    Die Professorin blickte angestrengt zur Decke und unterdrückte ein Seufzen.
    „Und aus welchem Grund hat der Rektor meinem Vorschlag, diesen Kurs abzuhalten, zugestimmt? Weshalb erhalten Sie neuerdings Philosophie im zweiten Semester, Valerian?“
    „Weil der Rektor Angst vor Ihnen hat?“
    Flint sah erstaunt zu Valerian hinüber, der gerade seine eigene Courage verfluchte. Foirenston bedachte den Unsterblichen mit einem durchdringenden Blick. Es war schwer zu erkennen, ob sie ihn gleich fressen würde oder nicht.
    „Ich weiß nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen oder Sie mit einem Verweis aus meinem Kursraum schicken soll.“
    Sie scheint ein netter Mensch zu sein, aber ehrlich gesagt möchte ich nicht auf der Seite derer stehen, auf die Foirenston gerade wütend ist.
    Der Geisterseher rückte diskret einige Zentimeter von Valerian ab. Dieser warf ihm einen Blick zu, der nur eines bedeuten konnte: Verräter! Flint zuckte schuldbewusst mit den Schultern und senkte schnell den Blick.
    „Aber nur, um es klarzustellen: Ich bezweifle, dass Sir Fowler vor einem Mitglied des Kollegiums Angst hat. Nein, es gibt einen anderen Grund, weshalb Philosophie für Sie alle wichtig ist. Hat jemand anderes eine Idee? Ja, Graciano?“
    „Philosophie ist eine Möglichkeit für die, denen der Glaube fern ist, die Welt zu verstehen“, bot er an.
    Flint sah gespannt zur Dozentin. Na, gefällt ihr diese Erklärung?
    Tat sie nicht!
    „Auch wenn manche Wächter des Lichts Philosophie als einen schlechten Ersatz für die Religion betrachten, möchte ich das an dieser Stelle heftigst dementieren. Es gab viele Philosophen, die sehr gläubig waren. Als Beispiel sei nur einmal Kant genannt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Philosophie viele Themen beinhaltet, die für Sie anstößig klingen mögen, doch ich versichere Ihnen: Wir behandeln nicht wahllos irgendwelche. Vielmehr werden wir uns mit den philosophischen Prinzipien und Grundlagen beschäftigen. In der Tat geht es dabei darum, die Welt zu verstehen, doch es ist noch viel mehr als das: Ich bitte Sie alle, meine Frage ,Warum ist Philosophie wichtig für mich?‘ im Hinterkopf zu behalten. Mit etwas Glück können Sie sie in den nächsten Semestern für sich selbst beantworten.“
    „Professor, entschuldigen Sie bitte, aber heißt das, dass wir im gesamten Grundstudium Philosophiekurse erhalten werden?“
    Gracianos Stimme klang leicht entsetzt.
    „Dem ist so. Ob Philosophie als Pflichtfach in der Oberstufe fortgeführt wird, ist noch nicht entschieden. Sie werden es zur rechten Zeit erfahren.“
    Für einen Moment spiegelte sich Unzufriedenheit im Gesicht des Wächters, dann nickte er langsam. Foirenston wandte sich um und startete ihre Laptop-Präsentation. Ein Beamer projizierte die erste Folie an die Wand. „Aus den vielfältigen Disziplinen, die die Philosophie zu bieten hat, habe ich für das zweite Semester die Erkenntnistheorie und die Ethik ausgewählt. Später werden wir noch andere Gebiete der Philosophie betrachten.“ Sie deutete nach vorn und begann zu lesen: „ Er|kennt|nis|the|o|rie , die ‹o. Pl.› (Philos.): Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Frage nach den Bedingungen eines begründeten Wissens befasst . Ein Zitat aus dem Duden.“
    Eine weitere Folie erschien.
    „ Die Erkenntnistheorie oder Epistemologie ist neben u. a. der Ethik, der Logik und der Ontologie eine der zentralen Disziplinen der Philosophie. Während die Ontologie nach den fundamentalen Strukturen der Realität fragt und die Ethik, wie wir handeln sollen, fragt die Erkenntnistheorie, wie wir davon wissen können. […] Dabei befasst sich die Erkenntnistheorie mit Fragen wie: Welche Erkenntnisse können als verlässlich oder wahr bezeichnet werden? Welche Kriterien können dazu herangezogen werden? Wie kommen wahre und gerechtfertigte Meinungen zustande, wie werden sie als solche erkennbar? Wie sind die zentralen Begriffe der Erkenntnistheorie, wie etwa Wissen oder Gewissheit, zu analysieren? Welche äußeren Bedingungen sorgen dafür, dass bestimmte Überzeugungen als gültig oder wahr in Betracht kommen? Soviel von Wikipedia zu diesem Thema.“
    Sie wechselte zur nächsten Folie.
    „Bevor wir mit der Erkenntnistheorie oder der Ethik starten, möchte ich den heutigen Vormittag dazu nutzen, Sie mit den Grundfragen der Philosophie vertraut zu machen.“
    Langsam ging sie mit den Studenten eine Folie durch, auf der Folgendes zu