Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
mehr sein.
Sie konnte zum ersten Mal in der Vision etwas fühlen.
Kälte. Kein bisschen Wärme. Kälte durch und durch. In jeder Faser. In mir und um mich. Überall. Aber das ist nicht schlimm. Hier ist alles kalt. Auch meine Umgebung. Hier gibt es keine Wärme. Ich brauche keine Wärme.
Die Vision gab ihr eine Bewegung vor und Katharina fühlte sich unendlich erleichtert. Sie wollte Klarheit und je mehr sie sich bewegte, desto mehr konnte sie entdecken. Langsam hob sich ihre Rechte. Sie betrachtete sie verwundert. Auf diesen Anblick war sie nicht vorbereitete gewesen.
Meine Hand … nein … diese Hand ist kleiner, als ich es erwartet hätte. Die Hand eines Kindes?
Ihr Blick glitt weiter nach unten und fiel auf den Ärmel, der in ihr Blickfeld geraten war.
Ein weißes Nachthemd. Aber … was hat das zu bedeuten? Wo bin ich?
Ihr Geist begann zu erahnen, was ihr Verstand nicht wahrhaben wollte. Ihr Innerstes rebellierte. Sie spürte sofort den Sog der Realität, der sie aus der Vision drängen wollte. Ihre aufsteigenden Gefühle verschlechterten ihre Konzentration und die Einheit mit ihrer Umgebung.
Nein, noch nicht! Noch nicht! Erst will ich sehen, wo ich bin. Ich lasse mich nicht so leicht vertreiben. Du bist mir eine Erklärung schuldig, wer immer du auch bist. Du schickst mir Visionen und lässt mich mit mehr Fragen als Antworten zurück. Doch nicht heute! Ich will wissen, wo ich bin. Zeig es mir. Zeig es mir!
Unsichtbare Hände hoben sie empor und drehten sie auf den Bauch. Sie sah Dunkelheit und spürte, wie sie in dieser Lage mehr und mehr nach oben gezogen wurde, den Blick nach unten gerichtet.
Die Dunkelheit verflog so plötzlich, wie sie gekommen war, und Cat erhielt Antwort auf ihren stummen Befehl.
Oh nein!
Eine säuberliche Reihe kleiner Rechtecke. Aus Erde geformt und von Steinplatten umrahmt. Alle gleich groß, alle gleich breit – und doch alle anders. Besonders. Es war Nacht, aber Cat erkannte jedes Detail, denn der kalte Schein des Vollmonds spendete ihr das nötige Licht. Windräder malten bunte Klekse auf das triste Fundament. Kuscheltiere, Puppen und Spielsachen standen sorgsam postiert. Sogar ein kleines Lego-Schloss war zu sehen.
Oh nein! Katharina spürte, wie der Anblick ihr einen Stich versetzte. Ihr Magen verkrampfte sich und sie verlor den Halt. Gewaltsam zerrte die fremde Macht sie wieder in die Klarheit des Seins zurück.
Cat fühlte mit einer unmenschlichen Wucht die Wirklichkeit über sich hereinbrechen. Sie rannte ins Badezimmer und erlöste sich von der Übelkeit in ihren Eingeweiden. Danach blieb nur der Schmerz in ihrem Innern zurück und heiße Tränen strömten über ihre Wangen. Tief betroffen kroch sie ins Bett zurück und weinte lange Zeit, ehe der Schlaf sich ihrer erbarmte.
Flint erwachte von einem Klopfen.
Mit einem Ruck setzte er sich auf und versuchte sich zu orientieren. Er befand sich in seinem Zimmer. Ein Blick auf Valerians Bett verriet ihm, dass dieser den Raum bereits verlassen hatte. Sein Wecker zeigte an, dass es erst halb acht Uhr morgens war.
In 15 Minuten hätte er geklingelt , dachte Flint, ehe er ihn abstellte. Jetzt würde er ihn nicht mehr brauchen.
Noch einmal klopfte es an der Tür. War es ihm vorher sehr laut vorgekommen, so stellt Flint nun fest, dass das Klopfen in Wirklichkeit ziemlich leise, geradezu heimlich klang. Ohne groß zu überlegen ging der Geisterseher zur Tür und öffnete sie. Kurz darauf sollte er seine Spontaneität bereuen. Vor ihm stand Cat. Im Gegensatz zu ihm war sie vollständig bekleidet und frisiert. In ihren schwarzen Kleidern wirkte sie noch blasser als sonst. Sie hielt die Arme um ihren Körper geschlungen. Ihre Augen schimmerten verdächtig feucht.
„Tut mir leid, dass ich so früh hier auftauche. Darf ich reinkommen?“, bat sie leise.
ARGH! Ich stehe hier mit T-Shirt und Boxershorts und meine Haare sehen aus wie Sau , dachte er.
„Äh … klar … komm doch rein“, war jedoch das, was er sagte.
Flint machte einen Schritt zur Seite und ließ sie eintreten.
Cat ging an ihm vorbei und er schloss die Tür. Sein Blick glitt durch den Raum.
Du lieber Himmel! Hätte ich gewusst, dass sie vorbeikommt, dann hätte ich Valerians Kram weggeräumt. Und vor allem mein Bett gemacht!
Er griff sich die schmutzigen Klamotten vom Vortag und schmiss sie vom Schreibtischstuhl, aber Cat wollte sich nicht setzen. Sie trat vor das Fenster und betrachtete den frühen Morgen.
Sie sieht traurig aus. Hat Cendrick sie
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