Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
herum. Drei Neugier anzeigende Auren kamen auf sie zu. Die Herren waren ihr offenbar in gespannter Erwartung einer Neuigkeit gefolgt. Ebenfalls unbemerkt …
Sie verzog schuldbewusst das Gesicht.
„Ich bin Cendrick hinterhergegangen. Er ist in Katharinas Zimmer. Ich wollte sehen, wie es ihr geht.“
„Ich dachte, dass er dich heute Morgen bereits weggeschickt hat?“
Valerians Bemerkung war weniger eine Frage als eine Feststellung. Sie konnte sein breites Grinsen förmlich hören.
„Jaaa“, gestand sie gedehnt.
„Und dass er dir gesagt hat, dass du dich um deine eigenen Sachen kümmern sollst?“
„Jaaa“, kam es jetzt schon etwas ungeduldiger.
„Und trotzdem schleichst du ihm nach?“
„Na, hör mal! Ich schleiche ihm nicht nach! Ich habe ihn lediglich nicht einholen können, ehe er das Zimmer betrat.“
Noch während Linda das sagte, wusste sie, dass ihre Wortwahl ein Fehler gewesen war. Gracianos Aura veränderte sich schlagartig. Er hatte eine Lüge gewittert. Innerlich seufzte die blinde Seherin auf. Eine Moralpredigt hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Sie wollte schleunigst Cendrick hinterher und sich nicht vor ihren Freunden rechtfertigen.
Doch Graciano schien sich zu beherrschen. Er schwieg.
Als Linda das bemerkte, meldete sich ihr schlechtes Gewissen, weil sie schon genauso genervt von ihm dachte, wie Valerian über ihn herzog. Dabei hätte der Wächter des Lichts Recht gehabt. Sie hatte ja Cendrick wirklich verfolgt und ihn nicht einholen wollen.
„Na gut …“, lenkte sie ein. „Ich wollte ihn nicht einholen. Ich wollte in ihr Zimmer gehen. Vielleicht ist sie ja gar nicht mehr hier und ihr Bruder versucht, diesen Umstand zu verbergen?“
Die anderen sahen sie schweigend an.
Graciano entspannte sich wieder, als sie ihre wahren Beweggründe nannte. Flint wirkte unschlüssig und Valerian glühte vor Schadenfreude.
Ja, ja, ich gönne es dir! Du hast mich ertappt!
„Na, dann nach dir“, meinte er mit einem Schmunzeln in der Stimme.
Bevor er noch etwas Weiteres sagen konnte, drehte sie sich um und stieß die Tür auf. Cendrick wirbelte herum und wollte von innen die Tür zustoßen, doch Valerian war schneller. Linda hörte ein lautes Krachen und der Unsterbliche stand vor ihr im Zimmer. Sie verzog seufzend das Gesicht. So war das nicht geplant gewesen. Etwas mehr Feingefühl hätte sie sich schon erhofft.
Cendrick fluchte laut und Flint sowie Graciano traten hinter Linda ein, schoben sie dabei mit in den Raum und schlossen die Tür.
Wildes Gezeter begann. Cendrick echauffierte sich darüber, dass sie hier ohne zu fragen eingedrungen wären. Valerian dagegen verhöhnte ihn, weil er zu dämlich gewesen sei, einen Schlüssel im Schloss zu drehen. Diese beiden Gemüter waren wie geschaffen, um aneinander hochzugehen und in einer gewaltigen Explosion zu enden. Graciano und Flint bemühten sich, zu vermitteln und die beiden Streithähne auseinanderzuhalten.
Die Seherin bekam das alles nur am Rande mit. Ihre Aufmerksamkeit war auf eine schwach glimmende Aura weiter hinten gerichtet. Es musste sich um Katharina handeln.
Langsam trat Linda zu ihr. Die Hetaeria Magi lag vermutlich in ihrem Bett. Die markantesten Farben in ihrer Aura waren zwar immer noch die gleichen, doch die Qualität der Farben hatte sich radikal verändert. Linda hatte so etwas noch nie gesehen. Es war, als hätte man eine Decke über eine Lichtquelle gehängt. Man sah den Schein nur noch gedämpft. Wie die Farben eines Fensterbildes, wenn die Sonne schon unterging. Sie konnte keine unreinen Verfärbungen feststellen. Es war nicht so, als hätte etwas Dunkles die Frau besetzt. Ihre Farben waren einfach … gedämpft. Linda fiel kein besseres Wort dafür ein. Und es fühlte sich falsch an. Ungesund und unnatürlich. Am meisten machte ihr Sorge, dass diese Schwäche in der Aura am ganzen Körper herrschte. Eine Aura hatte immer mal wieder zartere Stellen. Wenn sich jemand ein Bein gebrochen hatte, dann sah man auch das in der Aura auf Bruchhöhe. Aber nie wurde der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen. Wie gebannt blickte sie auf diese merkwürdige Aura herab und konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas mächtig schiefgelaufen war.
Katharina gab keinen Laut von sich. Regungslos lag sie da. Doch sie schien nicht zu schlafen. Im Schlaf waren die Menschen entspannt. Selbst wenn ihre Träume unangenehm oder belebt waren, wirkte die Aura der Schlafenden ausgeglichen.
Um Linda herum war es still
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