Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
Foirenston
Selbstverteidigung I: Pater Ignatius
Valerian seufzte leise. Sie hatten Prof. Lichtenfels in drei verschiedenen Fächern.
Egal, wie lange man den pro Woche sehen muss, es ist eindeutig zu lang!
Ob Linda den Kerl auch schon getroffen hatte? Was sie wohl zu ihm sagen würde?
Valerian blickte zum Nachbartisch und hielt erstaunt inne. Vor der jungen Seherin lag ebenfalls ein Blatt, dieses enthielt erhabene Pünktchen, über die sie ihre Fingerspitzen gleiten ließ. Blindenschrift!
Schmunzelnd betrachtete er sie. Sie war also doch nicht so hilflos, wie er gedacht hatte. Seufzend kehrte er zu seiner Liste zurück.
Drei Namen sagten ihm nichts. Mytsereu – wie das klang! Was das wohl für eine Type war? Und Pater Ignatius? Ein katholischer Priester? An einer Zauberschule? Noch unpassender ging es ja wohl nicht! Was unterrichtete der noch mal? Selbstverteidigung! Am Liebsten hätte Valerian laut losgelacht. Ein Priester, der Selbstverteidigung unterrichtete! Warum nicht gleich Schlösserknacken?
Prof. Foirenston war wieder vorne bei ihrem Pult angelangt und sah auf ihre Armbanduhr. „Wir haben es jetzt kurz vor zwölf. Ich schlage vor, dass Sie sich auf den Weg zum Speisesaal machen. Am ersten Tag geht bekanntlich viel Zeit beim Räumesuchen verloren. Sie finden übrigens in jedem Kursraum neben der Tür einen Grundriss, der Ihnen zeigt, wo Sie sich gerade befinden. Ich wünsche einen guten Appetit.“
Kapitel 4
Die Speisesaalsuche dauerte tatsächlich länger als gedacht. Ihr Kurs war einer der letzten, die ankamen. Der Raum war nicht ganz so riesig wie der Große Saal, dafür aber wesentlich voller. Stühle scharten sich um Sechser-Tischgruppen, die im Raum verteilt standen. Die Einrichtung war sehr modern, passte jedoch gut zu dem alten Gemäuer. Die Neuankömmlinge ernteten ein paar neugierige Blicke, vermutlich von den höheren Semestern. Es befanden sich ungefähr 250 Personen in dem Raum. Die Dozenten hatten sich alle an einer längeren Tafel im hinteren Bereich des Speisesaals niedergelassen. Links, direkt neben dem Eingang, konnte man sich mit einem Tablett und Besteck eindecken.
Heute stand Putengeschnetzeltes mit Reis als Tagesmenü auf einer Tafel angeschrieben. Dazu gab es einen kleinen Salat und ein Mousse au Chocolat. Valerian lief das Wasser im Mund zusammen. Dem vegetarischen Gericht hatte er nicht einmal einen Blick gegönnt. Vegetarische Menüs kamen für Valerian nicht infrage.
Weiberkram! Echte Männer essen Fleisch!
Sie mussten eine ganze Weile nach einem Platz suchen. Jemand vom Küchenpersonal trug Lindas Tablett, da sie sonst Schwierigkeiten gehabt hätte, sich ohne Blindenstab zu orientieren. Schließlich fanden sie einen Tisch, an dem schon zwei Leute saßen. Valerian konnte es kaum mehr aushalten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er so hungrig war.
Das Essen war überraschend gut.
„Ich hasse diesen Fraß!“
Der blonde Kommilitone neben ihm schob mit seiner Gabel das Essen hin und her. Sein braungebranntes Gesicht zierte ein angewiderter Ausdruck.
Dann sah er zu ihnen auf und reichte Valerian die Hand. „Ich bin Cendrick van Genten und das ist meine Zwillingsschwester Katharina.“
Er schenkte Valerian ein so gekonntes Lächeln mit seinen blendend weißen Zähnen, dass man hätte meinen können, er sei einem Modemagazin entsprungen. Seine Kleider waren modern, äußerst elegant und betonten die attraktive Gestalt des jungen Mannes.
Valerian schüttelte die ihm angebotene Hand und begrüßte die vorgestellte Schwester.
Unterschiedlicher hätten Geschwister nicht aussehen können: Die junge Frau hatte rabenschwarzes, glatt fließendes Haar, welches sie zu einem lockeren Zopf geflochten trug. Auch sie hätte als Model durchgehen können. Mit ihrer porzellanhellen Haut und ihrer grazilen Haltung war sie bildhübsch. Allein die dunkelblauen Augen hatte sie mit ihrem Bruder gemein.
Die beiden musterten Linda unentschlossen und tauschten fragende Blicke aus.
„Oh, darf ich vorstellen: Das ist Linda und ich bin Valerian!“
Die Modelzwillinge lächelten einstudiert und es wurden ein paar freundliche, nichtssagende Worte ausgetauscht.
„Cendrick schreibt sich übrigens mit C, nicht mit K“, erklärte das blonde Männermodel gerade.
Valerian hob fragend die Augenbrauen. Nicht, dass es ihn interessierte, warum sich dieser Cendrick mit C schrieb, aber offensichtlich wollte sein Sitznachbar auf etwas hinaus.
„Meine Mutter hat dafür geschwärmt. Der Name hat
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