Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
angeberisch mit: „Ach, weißt du, Flint, ich glaube, der Tod ist etwas, womit sich ein Unsterblicher nun wirklich nicht belasten muss.“
Sie konnte hören, wie Flint Luft holte.
Jetzt fangen die schon wieder an. Ist doch unmöglich! Die spielen sich immer auf wie Streithähne. Kindergartengetue!
Das war das erste Mal, dass Flint sich offen gegen Valerian zur Wehr setzte. Doch Linda hatte das ungute Gefühl, dass die beiden jeden Moment aneinandergeraten würden, und dem wollte sie unbedingt einen Riegel vorschieben.
„Ich glaube, es ist schon recht spät. Wir sollten uns beeilen, der Unterricht bei Professor Foirenston fängt gleich an. Und ihr möchtet doch nicht als Kröte enden, oder?“
Sie versuchte, betont unbekümmert zu sprechen, fand das Resultat jedoch bescheiden.
„Ja, gehen wir“, lenkte Flint ein. „Ich habe eh keinen Hunger mehr. Komm, ich nehme dein Tablett, Linda.“
Dankbar lächelte sie ihm zu und konnte hören, wie Valerian eilig seine Süßspeise auslöffelte.
Sie verließen zu dritt den Speiseraum und durchquerten die Halle. Als sie am Schwarzen Brett vorbeikamen, rief Valerian begeistert: „He, schaut mal, sie haben die ersten AGs ausgehängt!“
Dann wurde es still. Sie waren stehen geblieben.
„Was steht denn da?“, fragte Linda interessiert.
„Einer aus einem höheren Semester bietet Karate-Kurse an. Cool! Sogar noch einen in Thai-Boxen. Das klingt genial! Wollte ich schon immer mal ausprobieren. Hm … und eine Aufforderung der Studentenzeitschrift zur Mitarbeit. Langweilig! Einer aus dem ersten Semester fragt, ob noch jemand in seiner Band spielen will. Eher nicht, bei meinem musikalischen Talent.“
Wieder wurde es eine Weile still. Linda stellte sich vor, wie er sich fast die Nase plattdrückte, um alles lesen zu können. Schmunzelnd wartete sie, dass er fortfuhr.
„Ein paar Dozenten haben auch etwas ausgehängt. Pater Ignatius bietet einen Verteidigungskurs für Frauen an. Weiberkram!“
„Was ist das? Habe ich noch nie gehört“, fragte Linda verwundert.
„Ach, das ist so ein Frauenkampfsport. Weiß nicht genau, worum es geht, aber interessiert mich auch nicht.“
Linda verdrehte die Augen und behielt ihre Meinung für sich.
„Dozentin Frey bietet Yoga an. Hach, schade … gar nichts von Mytsereu. Einen Blick auf Hot-Babe im engen Sportdress hätte ich schon gerne mal riskiert.“ Der letzte Satz war wohl unfreiwillig aus ihm herausgeplatzt, denn sie erkannte ein verlegenes Hellrot in seiner Aura. Es war nur ein Hauch von Farbe, sodass Linda es mehr erahnen als wirklich wahrnehmen konnte, doch es war zweifelsohne da. Das war die Gelegenheit, ihn deshalb zu necken.
„Wieso? Hast du auf einen Tantra-Kurs gehofft?“
Sie brach in schallendes Gelächter aus und auch von Flint hörte sie ein leises Glucksen.
„Hä? Was bitte soll Tantra sein?“, erkundigte sich Valerian verständnislos.
Linda lachte noch lauter. „Er kennt es gar nicht!“, witzelte sie.
Flints Aura lichtete sich schlagartig und als er sprach, klang er sogar amüsiert.
„Tantra gibt es im Hinduismus und im Buddhismus. Es ist eine esoterische Philosophie, die zum Beispiel beim Sex praktiziert wird.“
Das Hellrot in Valerians Aura breitete sich weiter aus. Vor allem im Bereich seiner Wangen. Linda musste sich den Bauch halten und auch Flint lachte nun hörbar.
„Ha, ha! Lacht doch! Immer auf den kleinen Unsterblichen! Fieslinge!“, murrte Valerian beleidigt, aber mit einem Unterton, der verriet, dass er gegen seinen Willen auch belustigt war. „Auf jetzt, sonst verärgern wir Professor Foirenston! Nur, dass ihr es wisst: Euch wird kein Mensch küssen, wenn ihr zwei schleimige, hässliche Kröten seid!“, drohte er, dabei Lindas Stimme imitierend.
Linda gefiel die erste „richtige“ Stunde bei Prof. Foirenston sehr gut. Sie sprach zwar so, als würde sie überhaupt keinen Spaß verstehen, doch konnte die blinde Seherin an feinen Nuancen und den eindeutigen Farben ihrer Aura deutlich erkennen, dass die Frau durchaus Humor zu schätzen wusste. Fast fand Linda es schade, dass den anderen dieser Aspekt entging, doch sie hoffte, dass sie es später noch lernen würden.
Selbst der Unterricht bei Prof. Lichtenfels verging recht kurzweilig (Valerians Meinung darüber wich natürlich von ihrer eigenen ab und er verkündete sein Leiden lautstark). Auch hier sollte der Autor der Studentenzeitung Recht behalten: Der Dozent machte in der Tat einen sehr cleveren Eindruck. Und es war
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