Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
er die Angewohnheit, unnatürlich laut zu atmen, und Tamara war sich sicher, dass sie diesem Umstand bald ein gewaltsames Ende setzen würde, sollte er nicht sofort auf andere Weise Abhilfe schaffen.
„Wir müssten jeden Moment da sein“, antwortete Foirenston.
Tamara öffnete die Augen und verzog das Gesicht.
Zu hell. Definitiv zu hell. Ich hasse den Sommer.
Sie blickte aus dem Fenster und sah ein elegantes Anwesen nach dem anderen an sich vorbeiziehen.
Oha, wir haben das Bonzenviertel also schon erreicht.
Sie hatte ihr Ordensoberhaupt in der letzten Woche schon von Weitem gesehen: eine stattliche und gepflegte Frau mit eleganter Frisur. Es hieß, sie sei bereits Ende fünfzig, doch sie sah keinen Tag älter aus als dreißig.
„Wie heißt sie noch mal? Ich vergesse immer ihren Namen.“
Diesmal hatte sich Marion zu Wort gemeldet.
Irene von Hofmannsthal, du Dussel.
„Irene von Hofmannsthal. Sie merken sich den Namen besser. Frau von Hofmannsthal gehört nicht zu den Leuten, die Etikette für eine Nebensache halten“, antwortete Foirenston in ihrer gewohnt ruppigen Sprechweise.
Tamara konnte Marion nicht leiden. Die Kommilitonin hatte einen so naiven Tonfall, dass sie es als persönlichen Affront empfand, dass so ein „Püppchen“ sich für ihren Orden bewarb. Außerdem fragte sich die Studentin, was sie erwarten würde. Sie hatte von ihrem Ordensoberhaupt eine Pack-Liste erhalten – und die gefiel ihr gar nicht.
Das hört sich alles verdächtig nach Camping an. Ich hasse Campen! Hoffentlich ist es etwas anderes. Da würde ich lieber gegen einen Voodoo-Wirker kämpfen, als in einem Zelt zu schlafen.
Tamara hatte im letzten Semester erfolgreich einen Fluch auf einen Schwarzmagier gehext. Als Folge dessen war er Opfer seines eigenen Rituals geworden. Da es sich um einen sehr mächtigen Gegner gehandelt hatte, erfüllte sie dieser Triumph mit Genugtuung.
Ich sollte eigentlich gar keine Prüfung mehr machen müssen. Mal ehrlich: Wer in meinem Kurs hat Vergleichbares geleistet? Keine WICCA jedenfalls.
„Pater, darf ich fragen, wohin wir fahren?“
Graciano und die restlichen fünf Custodes-Iluminis-Anwärter saßen in der zweiten Limousine, die die Cromwell-Studenten zu ihren Ordensprüfungen transportierte. Während das Innere des WICCA-Gefährts an einen chaotisch bunten Haufen auf einem Wühltisch beim Sommerschlussverkauf erinnerte, hatte man beim Anblick der „Wächter des Lichts“ den Eindruck, man wäre in ein Kloster geraten. Jeder Student saß mit gefalteten Händen da, niemand traute sich, ein Wort zu sprechen. Mit einer Ausnahme.
„Aber natürlich, Graciano. Wir fahren zur St. Franziskus-Kathedrale“, beantwortete Pater Ignatius freundlich die Frage.
Der Priester war einer der begehrtesten Dozenten in Cromwell. Zum einen war er die Ruhe selbst und äußerst charmant, zum anderen war er der Mädchenschwarm schlechthin. Sein weißer Kragen schien die Frauenwelt zwar genug abzuschrecken, um keine offensichtlichen Flirtversuche zu unternehmen, aber sie genossen trotzdem den attraktiven Anblick des Lehr körpers .
„In Berlin?“, fragte der Student erstaunt. Er hatte gehört, dass sich dort das erzbischöfliche Sekretariat befand.
„Ganz recht“, bestätigte der Priester.
Sie fuhren weiter.
Je länger die Stille andauerte, desto nervöser wurde Graciano. Er beschloss daher, weiterzureden, um sich dadurch ( hoffentlich ) abzulenken.
„Pater, wie kommt es eigentlich, dass so viele wichtige Posten im Custodes Iluminis von katholischen Würdenträgern bekleidet werden? Das Ordensoberhaupt ist doch auch ein katholischer Bischof, nicht wahr?“
Graciano selbst gehörte zu den evangelischen Mitgliedern des Wächterordens, weshalb das Thema für ihn von besonderem Interesse war. Nicht, dass er etwas gegen seine katholischen Mitchristen gehabt hätte, es ging ihm einfach ums Prinzip.
„Das ist richtig. Du wirst sogar feststellen, dass alle wichtigen Posten im Custodes Iluminis von katholischen Christen bekleidet werden.“
Graciano sah den Priester entsetzt an. Der Custodes Iluminis war dafür bekannt, dass er ein Vorbild in Sachen Ökumene war. Wenn alle Ordensämter ausschließlich von Katholiken besetzt wurden, dann bedeutete das ein enormes Ungleichgewicht.
„Nun sieh mich nicht so schockiert an“, meinte Pater Ignatius, dem Gracianos Regung nicht entgangen war.
„Entschuldigung, Pater.“
Der nickte gutmütig, ehe er weitersprach: „Das Ordensoberhaupt wird jeweils für
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