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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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Krankenhausnachthemd. Er hat es vermutlich gerade ausgezogen. Dr. Aziz zeigt kopfschüttelnd zur Tür und bedeutet mir zu gehen.
    Doch in diesem Moment richtet Jonas Svensson seine Aufmerksamkeit auf mich, ruft etwas auf Schwedisch und deutet wütend auf den Stuhl. Ich soll mich hinsetzen. Ich zögere. Es macht mir nichts aus, dass ich seine Augen nicht sehe, aber die verspiegelte Brille ist verwirrend. Ich habe nicht den Wunsch, mein eigenes besorgtes Gesicht darin zu erblicken. Deshalb schaue ich zu Boden und sage: »Ich bin aus London gekommen, um Sie zu treffen. Ich untersuche, was in der Bank passiert ist.«
    »Dann setzen Sie sich.« Sein Akzent ist stärker als der von Annika.
    »Sie können kurz bleiben«, sagt die Ärztin und unterbricht das Telefonat. »Aber er ist sehr erregt, wie Sie sehen.« Ich nicke, und sie wendet sich wieder dem Gespräch zu. Ich sitze auf dem Plastikstuhl neben dem Bett, weiß aber nicht, wo ich hinschauen soll.
    »Es gibt eine ganze Bande davon«, sagt Jonas Svensson. Er wirkt manisch. »Jedenfalls sind es abscheuliche Kreaturen, sie haben mir die Kleider ausgezogen, diese …« Er kann das Wort nicht finden. Dann hat er es. »Trolle.«
    »Trolle?«
    »Ja. Kleine Trollkinder. Ich muss eines davon verschluckt haben. So kommen sie doch rein, oder? Ist nur eine Vermutung. Wie ein Bandwurm oder so. Sie stinken. Schauen Sie sich meine Hände an. Ist das die normale Größe? Oder sehen sie aus, als gehörten sie einem stinkenden Trollkind?«
    Er streckt mir seine gewaltigen Hände hin, die er zu Fäustengeballt hat. Parallel dazu falte ich im Geist Papier. Ich werde schneller, aber nicht schnell genug, um den nötigen Effekt zu erzielen.
    »Für mich sehen sie normal aus«, sage ich. »Eher groß, würde ich sagen.«
    »Eher groß, meinen Sie? Denken Sie doch mal nach, Mann«, sagt er verächtlich. »Es hat mich dazu gebracht, die Sache zu versauen. Ich wollte das nicht! Verstehen Sie?« Jetzt schreit er. »Es ist in mir drin! Es benutzt mich wie eine Marionette!«
    »Sir, Sie sollten gehen«, sagt Dr. Aziz.
    »Was benutzt Sie wie eine Marionette?«, frage ich zögernd.
    »Dieses beschissene … Wesen. Es ist noch hier drin.« Er schlägt sich auf die Brust. »Es wird mich töten.«
    »Das lassen wir nicht zu«, sagt Dr. Aziz auf Englisch. Ihre Stimme klingt beruhigend. Sie zieht eine Spritze auf. »Hier drinnen sind Sie sicher, Jonas.«
    Er lacht. »Meinen Sie, die wären für nichts von so weit gekommen? Meinen Sie, die wollten nur Spaß haben? Ha!« Er reißt die Sonnenbrille herunter. Ich wünschte, er hätte es nicht getan. Mir stockt der Atem. Seine Augen sind so blutunterlaufen, dass man kein Weiß mehr sieht. Nur zwei blassblaue Iris in einem roten Meer. Sie sondern eine klebrige Flüssigkeit ab. »Und was glauben Sie, wie es sich anfühlt, wenn man blind wird, ha?«
    »Sie werden nicht blind. Sie haben nur eine schlimme Infektion«, erwidert die Ärztin. »Und einen erhöhten Augendruck. Die Antibiotika werden helfen, ganz bestimmt.« Sie wendet sich an mich. »Warum kommen Sie nicht wieder, wenn er ruhiger ist?«
    Svensson drückt eine Faust an die Stirn, genau neben dem hervorquellenden rechten Auge, und spreizt sie abrupt. Eine verblüffende Geste. Ich muss an einen Seestern denken. »Daspassiert als Nächstes. Plopp . Glaubt ihr, es würde uns gefallen, was ihr uns angetan habt? Glaubt ihr, wir wollten die Letzten sein?«
    Dr. Aziz spricht in schnellem Schwedisch mit Svensson. Ich verstehe nichts außer du , was »du« bedeutet, und nu , »jetzt«. Er setzt die Sonnenbrille wieder auf, hebt die Hände hoch über den Kopf, spreizt die Finger und greift mit einer raschen Bewegung nach meinem Arm, wobei er seine Finger tief hineinbohrt. Der Schmerz ist schockierend. Ich stoße einen Schrei aus, und die Ärztin betätigt einen Alarmknopf. »Scheißerwachsener«, sagt er.
    »Der Sicherheitsdienst kommt«, erklärt Dr. Aziz und versucht, Jonas von mir zu lösen. Er schüttelt sie ab und greift fester zu. Ich fange an, mit dem Oberkörper zu schaukeln. Dabei kann ich mein eigenes Gesicht sehen, das sich in seinen verzerrenden Spiegelgläsern hin und her bewegt. Mein Mund steht offen, als wollte ich schreien. Er ist erstaunlich stark. Ich spüre die Spitze jedes einzelnen Fingers, die sich durch den Stoff des Ärmels in mein Fleisch bohrt. Er drückt noch fester und zischt: »Meinst du, wir wollen verhungern und um Nahrung kämpfen? Du beschissener lap-sap .«
    Ich erstarre. Lap-sap

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