Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
Vom Netzwerk:
um und geht zum Ankunftsterminal weiter.
    Ich schicke eine SMS an Ashok.
    Autopsiebericht Jonas Svensson anfordern.
    Ich kaufe den New Scientist und lese, während ich an der Sicherheitskontrolle warte, einen Artikel über das drohende Aussterben der Honigbiene. Weltweit sind Schwärme von der Colony Collapse Disorder befallen. Für Natur und Landwirtschaft – vor allem die Fleisch- und Baumwollindustrie – wäre das Verschwinden der Spezies katastrophal. Als Lösung wurde bereits die Isolierung nicht betroffener Stöcke vorgeschlagen. Während ich mich ins Marie-Celeste-Syndrom vertiefe, bei dem Bienenstöcke aus unerfindlichen Gründen verlassen werden, kommt eine Frau im roten Mantel – ein Farbton, den die Firma Dulux 1984 Nelke nannte – auf mich zu.
    »Das ist ja ein Zufall«, sagt sie und wedelt mit ihrem Pass. »Ich fliege auch heute.«
    Ich sehe mich um. »Genau wie alle anderen hier. Das ist die Abflugschlange.«
    Das Lächeln der Frau sieht irgendwie schief aus. Ich kann die Emotion nicht erkennen, die dahintersteckt.
    Sie kommt mir vertraut vor, aber ich habe es nicht so mit Gesichtern. Ich wende mich wieder dem Artikel zu: Die Gruppendynamik geselliger Wesen hat mich schon immer interessiert.
    »Ingrid«, sagt sie. Mit Namen habe ich es auch nicht so.
    »Hesketh«, sage ich.
    »Ich weiß.«
    Erst als sie die Hand hebt und die Haare nach hinten schiebt – was Frauen oft tun, wenn sie verunsichert sind, wie ich bemerkt habe – und ich das Federmuster ihres indianischen Silberarmreifs sehe, fällt mir wieder ein, wer sie ist. Ich lächle.
    »Jetzt hab ich’s!« Ich bin froh, dass ich sie einordnen kann.»Die Schweizer Demografin. Mittwoch. Die Konferenz zum perfekten Sturm. Klima, Hunger und Bevölkerung. Du hättest gern einen King-Charles-Spaniel. Wir hatten Sex.«
    Sie weicht einen Schritt zurück, und ihr Gesicht verändert seine Form. »Genieß den Rest deines Lebens, Hesketh Lock.«
    Dann geht sie sehr schnell zu einer anderen Abflugschlange. Hätte sie mich auf Deutsch angesprochen oder den Nelkenmantel im Hotel getragen, hätte ich sie sofort erkannt.
    »Auf Wiedersehen!«, rufe ich ihr auf Deutsch nach. Aber sie geht weiter und dreht sich nicht mehr um.
    Auf dem Flughafen Charles de Gaulle habe ich fünf Stunden Zwischenstopp und gehe in ein Fitnessstudio, wo ich zehn Kilometer auf dem Laufband absolviere. Danach kaufe ich neue Kleidung: Sandalen, Baumwollhose, drei weiße Hemden. Im Abflugterminal esse ich das Menu gastronomique , löse siebenundvierzig Sudoku und lade das neue Dokument herunter, das Ashok geschickt hat.
    In Dubai glaubt die einheimische Bevölkerung an Dschinns. Ein Dschinn ist ein böser Geist, der Menschen quält und ihnen das Leben zur Hölle macht. Er kann ohne ihr Wissen von ihnen Besitz ergreifen und sie dazu bringen, sich atypisch zu verhalten. Wie die chinesischen Vorfahren von Sunny Chen müssen auch Dschinns beschwichtigt und besänftigt werden.
    Als ich zu Ashok sagte, ich hielte es für möglich, dass bei dem Fall in Dubai jemand den Verstand verloren habe und einem einheimischen bösen Geist, beispielsweise einem Dschinn oder Dämonenkind, die Schuld daran geben würde, schloss er die Augen, atmete aus und sagte: »Oh, Mann.«
    »Ich bin mir sicher, dass Farooq einen Dschinn erwähnt hat.«
    »Und was will uns dieser kranke Scheiß sagen, Maestro? Sollen wir dem Klienten erklären, dass es in seinem Bauimperium spukt?«
    »Nein. Wir sagen ihm, dass einer seiner Mitarbeiter durch irgendetwas in eine frühere Phase regrediert ist und dabei auf negative Kindheitsarchetypen zurückgegriffen hat und dass dieses Verhalten zu einem Phänomen von Massenhysterie gehört, das wir noch vollständig identifizieren müssen. Sunny Chen. Jonas Svensson. Das gleiche Muster. Um zu erklären, was sie während der dissoziativen Fugue getan haben, beschwören sie Manifestationen indigener Glaubenssysteme herauf. Bei Chen waren es die Ahnen. Bei Svensson die Trolle. Bei Farooq prophezeie ich die Dschinns.«
    Worauf er auf den Tisch schlug und Belinda Yates erschreckte.
    Im Polizeibericht über Farooqs Tod, den Ashok, was typisch für ihn ist, nicht gründlich gelesen haben dürfte, entdecke ich, dass Ahmed Farooq in der Tat Dschinns erwähnt hat. Es steht genau hier, in der Aussage seiner Frau.
    Halla Farooq berichtet, er habe Angst gehabt, dass ein Dschinn, der »wie ein kleiner Bettler« aussah, von ihm »Besitz ergriffen« habe. Diesen Ausdruck hatte auch Annika Svensson

Weitere Kostenlose Bücher