Die da kommen
benutzt. Anders als ihr Ehemann behauptet Halla Farooq nicht, den Dschinn selbst gesehen zu haben, doch die Einwohner der Vereinigten Arabischen Emirate sind sehr abergläubisch, und sie war ebenso leidenschaftlich davon überzeugt wie er selbst. Sie bestand darauf, es sei der Dschinn gewesen, der ihn zu diesem seltsamen Verhalten und schließlich in den Tod getrieben habe.
Daher würde ich am liebsten sagen, meine Beweisführung sei abgeschlossen. Ich weiß aber auch, was ich dann von Ashok zu erwarten hätte.
Er würde brüllen: »Herrgott im Himmel, Hesketh! Beschissenearabische Kobolde. Die haben mir gerade noch gefehlt, Mann!«
Und dann würde er wieder auf den Tisch hauen und Belinda Yates noch mehr erschrecken.
Ich nehme den Nachtflug nach Dubai. Im Flugzeug befinden sich mehrere Kinder, von denen sich einige durch die kostenlosen Rätselhefte arbeiten, die die Fluggesellschaft zur Verfügung stellt. Ich selbst bin von Natur aus unfähig, einem Rätsel zu widerstehen, doch Freddy kann frei entscheiden. Seine Fantasie ist groß und grenzenlos. Wenn er hier wäre, würde er Dinosaurier zeichnen und in seiner liebsten Dinosaurierstimme, der des Archaeopteryx, Selbstgespräche führen. »Hooloo, öch bön öin flügendes Fossül ond wüge fünfzehntausend Xillionen Tonnen.«
Die kleinen Flecken an meinem Arm tun weh, wenn ich daran herumdrücke.
Freud hat gesagt: »Manchmal ist eine Zigarre eben nur eine Zigarre.« Er wollte damit vermitteln, was wirklich bedeutsam ist und was nicht.
Er war ein weiser Mann.
Ich nehme eine Schlaftablette und falle in den unwirklichen, ruhelosen Flugzeugschlaf, der einem keine Erholung bietet.
Als ich Kaitlin sagte, dass ich gehe, wusste ich, dass ich sie nicht vermissen würde. Wir taten einander nicht gut. Wäre unsere Beziehung eine Organisation gewesen, hätte Phipps & Wexman sie als dysfunktional, vergiftet oder »hohl« eingestuft. Ihr gutes Aussehen zog mich nicht mehr an. Das genaue Gegenteil war der Fall, auch wenn es unlogisch erscheint. Sie hatte ihrerseits die Geduld mit bestimmten Aspekten meines Verhaltens verloren, die sie früher einmal liebenswert gefunden hatte. Freddy aber hatte nichts Falsches getan.
Einmal fuhren wir ein Kaninchen an. Freddy war bei Kaitlins Mutter auf dem Land gewesen – das war, bevor sie an Krebs erkrankte –, und ich hatte ihn abgeholt. Das Tier schoss aus einer Hecke auf die Straße und landete unter dem Rad, bevor ich reagieren konnte. Der Aufprall war weich und endgültig. Ich hoffte, dass Freddy es nicht bemerkt hatte – er hatte sich eine DVD angeschaut und schien halb zu schlafen –, doch er schrie auf. Ich wollte weiterfahren, aber er bestand darauf, dass wir anhalten müssten.
»Wir müssen ihm helfen, wir müssen ihm helfen!«
Während ich zurücksetzte, schmiedete er schon wilde Pläne: Er würde die Wunden des Kaninchens versorgen, es als Haustier mitnehmen, ihm einen Namen geben, es im Käfig halten, einen Gefährten finden, es Kaninchenbabys werfen lassen, und die bekämen auch Babys, und bald wären es Xillionen, und wir könnten sie an Zoohandlungen verkaufen. Er hatte schon das ganze Leben des Tieres verplant. Doch als wir den zermatschten Fellklumpen inspizierten, war es natürlich mausetot. Die Hinterbeine waren vollkommen zerquetscht, aber es gab erstaunlich wenig Blut.
Freddy weinte und streichelte seine Ohren und starrte in sein totes, glasiges Auge, und ich versuchte ihn ziemlich hilflos zu trösten, indem ich ihm den Kopf tätschelte und seine Schulter boxte und ihn wieder und wieder »Freddy K, Freddy K, Freddy K« nannte. Doch er wollte nicht aufhören zu weinen. Schließlich war ich ein bisschen verzweifelt und schlug vor, ein Begräbnis zu organisieren. Das munterte ihn sofort auf: Wir hatten ein Projekt. Ich fand im Auto eine Plastiktüte. Wir packten den toten, noch warmen Körper ein und fuhren weiter. Er war jetzt voller Energie: Die Vorstellung einer Zeremonie hatte ihn förmlich elektrisiert.
»Ich begrabe es und stelle ein Kreuz aufs Grab und spreche ein paar Worte.«
»Was für Worte?« Ich war neugierig, wie sich ein Sechsjähriger ein Begräbnisritual vorstellte.
»Das weiß ich noch nicht.«
»Wann denn dann?«
Er lachte. »Bald. Also weiter. Sag’s mir.« Freddy war nicht bewusst, dass seine kindliche Perspektive mir einen kognitiven Weg in die Welt aufzeigte, in der wir beide lebten. Also zitierte ich für ihn die christlichen Verse von »Asche zu Asche und Staub zu Staub« und
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