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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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zusammen?«
    Ich greife wütend nach einer Serviette und zeichne zwei überlappende Kreise. Es ist ein Tintenroller, und die Tinte blutet ins Papier.
    »Okay. Ein Beispiel. Das hier sind Kinder, die jemanden angreifen.« Ich deute auf den rechten Kreis. »Wir nennen den Kreis K wie Kinder.« Ich schreibe das K hinein. »Und das sind Familien, in denen Erwachsene Sabotage begehen. Diesen Kreis nennen wir E. Sowohl der K- als auch der E-Kreis fügen sich in ein größeres Bild der Gewalt.« Ich zeichne einen dritten Kreis, der die beiden umschließt, und nenne ihn G. Ich denke an die winzigen Fingerabdrücke auf meinem Arm. Stephanie ist der letzte Mensch, dem ich sie zeigen würde. Das kleine Mädchen aus Dubai passt allerdings in kein Diagramm, das ich zeichnen könnte. »Auch die dissoziative Fugue könnte dazu passen.« Ich zeichne einen Kreis namens F, der alle anderen überlappt. »Aber wir wissen nicht, wodie Grenzen liegen.« Ich beende den F-Bereich mit einer gepunkteten Linie, die K und A durchschneidet. »Siehst du? Es gibt dissoziatives Verhalten ohne Gewalt, also muss ein Teil von F außerhalb von G liegen. Gemäß der Venn-Regeln kann die Fugue sogar universell sein und alles andere umfassen.« Ich zeichne eine stärker gepunktete Linie, die alles andere einschließt. Dann kommt mir ein neuer Gedanke. »Kinder, die ihre eigenen Familien zerstören, begehen allerdings auch Sabotage. Vielleicht sind ökonomische und emotionale Zerstörung ein und derselbe Kreis.« Ich zeichne einen weiteren Kreis.
    »So arbeitest du also.«
    »Wenn das Problem es erfordert.«
    Wir sitzen eine Minute schweigend da. Dann deutet sie auf den Kreis K. »Das Innenministerium hat spezielle Pflegeeinrichtungen für solche Kinder eröffnet. Eine Armee von Spezialisten und Freiwilligen steht bereit. Die größte befindet sich in Battersea und wird von einer ehemaligen Kollegin geleitet. Naomi Benjamin. Irgendein akademisches Superhirn hat sie uns weggeschnappt.«
    Natürlich. Ich muss lächeln. »Ich tippe auf Professor Whybray. Er ist medizinischer Anthropologe. Ein internationaler Experte für Massenhysterie. Er war mein Doktorvater.«
    Zwei Männer in einem Krankenhaus, einer half dem anderen, sich zusammenzureißen. Ihre materialistische Einstellung hat mich gerettet , sagte er später. Ich musste mit jemandem zusammen sein, der mir keine Märchen erzählt.
    »Nun, sein Team sitzt in Naomis Einheit in Battersea. Anscheinend ist auch das Pyjama-Mädchen dort.« Sie holt einen kleinen, roten Laptop aus der Tasche, stellt ihn neben unsere Gläser, schaltet ihn ein und hämmert drauflos. »Das sind nur die Nachrichten von heute.« Sie dreht den Bildschirm zu mir. Die Internetseite von Reuters. Brutale Morde durch Kinder –die neuesten Fälle . Ich brauche fünf Sekunden, um sie zu überfliegen. An einem einzigen Tag wurden in den Vereinigten Staaten acht Morde durch Kinder gemeldet, in Korea fünf, in Russland zwei, in Lettland und Marokko jeweils einer. Die Kinder sind alle unter zehn Jahren.
    Bei den Opfern handelt es sich meist, wenn auch nicht immer, um Familienangehörige. Letzte Woche wurde bekannt, dass ein vierjähriger Junge in Ägypten seine Mutter mit einem Küchenmesser erstochen hat.
    »Naomi sagt, die Kinder würden nicht über das reden, was sie getan haben. Die Eltern behaupten, es seien nicht mehr dieselben Kinder. Eine klassische Distanzierungstechnik. Du wirst mir zustimmen: Soziologisch betrachtet kann es kaum noch dynamischer werden.«
    Das habe ich auch schon gedacht. Aber es macht uns noch nicht zu Freunden.
    »Es gibt einen weiteren Faktor, der eine Rolle spielen könnte«, sage ich. Als ich ihr von Chens Sojakonsum und von Svenssons Flasche mit Meerwasser erzähle und davon, dass Farooq ein Stück Salz aus einer Entsalzungsanlage in eine Plastikwasserflasche gebröselt und de Vries seinen Arm abgeleckt hat, stellt sie ihr Glas ab und sitzt ganz still da.
    »Hast du sonst jemandem davon erzählt?«, fragt sie schließlich.
    »Nein. Ich habe die Verbindung erst vor Kurzem erkannt.« Und es ist meine Ermittlung. Nicht deine.
    » Das Pyjama-Mädchen ist gierig nach Salz. Naomi hat es mir bei unserem letzten Gespräch gesagt. Ihre Eltern haben einen Vorrat an Spülmaschinensalz in ihrem Zimmer entdeckt. Falls das auch für andere Kinder gilt, könnte es weitere Parallelen geben. Lass es uns herausfinden.« Sie beginnt wieder zu tippen. Ihre Finger fliegen über die Tasten wie die eines Pianisten. Sie drückt auf

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