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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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schiefe Turm von Pizza.« Er schaut Stephanie erwartungsvoll an, aber sie sagt nichts. »Das ist ein Witz. In Wirklichkeit heißt es Pisa. Das liegt in Italien. Hesketh meint, sie wäre nicht echt.«
    »Wer ist nicht echt?«, fragt Stephanie.
    »Sie ist es aber. Sie war auf dem Wolkenkratzer. Er hat es gesehen. Sie ist eine von uns.«
    Ich weiß, was real ist und was nicht. Meine Karriere basiert darauf, dass ich den Unterschied erkennen kann. Stephanie schaut mich an. Ihr Gesicht ist eine einzige Frage, aber ich kann sie nicht beantworten.
    Freddy macht sich daran, einen weiteren Lego-Mann in der Nähe der Tischkante aufzustellen. Er hockt sich so hin, dass sein Mund auf einer Höhe mit ihm ist, er stützt sein Kinn auf die Tischplatte, bläst die Wangen auf und pustet. Chipskrümel fliegen heraus und glitzernde Salzkörner. Der weiße Lego-Mann kippt von der Kante.
    »Hat Mama dir von den Männern erzählt?«
    »Njet.« Er reißt die Chipstüte auseinander und streicht sie glatt.
    »Oder Stephanie?« Ich spüre, wie sie sich bewegt. »Oder vielleicht hat Stephanie von ihnen gewusst und deiner Mutter davon erzählt, und du hast es gehört?«
    »Nein«, sagt Stephanie. »So war es nicht.« Ich werfe ihr einen Blick zu. Sie ist blasser denn je.
    »Njet«, stimmt Freddy zu. »So war es nicht.« Dann macht er wieder die Archaeopteryx-Stimme, diesmal noch tiefer. »So wor ös nöcht.«
    »Wer hat dir von den Männern erzählt, Freddy K?«
    Er wischt sich die Nase am Ärmel ab. »Die anderen Kinder.«
    »Welche Kinder? Und wo?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Überall. Wir reden darüber, Erwachsene zu töten.«
    »Und warum willst du das tun, Freddy?«, fragt Stephanie.
    »Was?« Er sinkt wieder in sich zusammen. »Ich bin müde. Du bist ein Spinner, Steph. Und du bist auch ein Spinner, Hesketh. Ich weiß nicht, wovon ihr redet. Ich will auf dem Sofa liegen und Fußball gucken.«
    Ich greife nach einer der winzigen Solarzellen des Schiffes und halte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Stephanie bleibt vollkommen reglos auf dem Sofa sitzen. Sie zwinkert nicht einmal. Dann höre ich ein Geräusch in der Diele. Die Haustür geht auf und wieder zu. Falls Stephanie es gemerkt hat, zeigt sie es nicht. Ihre Augen konzentrieren sich nach wie vor auf Freddy.
    Sie sagt drängend: »Und wie fühlst du dich, wenn du und deine Freunde darüber reden, Erwachsene zu töten?« Freddy blickt hoch, zerknüllt die leere Chiptstüte und grinst langsam. Wer ist er jetzt? Seine Augen sind Glasscheiben aus blauem Licht.
    »Es ist der Wahnsinn. Wir fühlen uns gut.« Er lächelt noch breiter. Man kann alle seine Zähne und die Lücken dazwischen sehen.
    Die Tür geht auf. Es ist Kaitlin. Sie sieht mich sofort. »Hallo, zusammen.« Ihre Stimme klingt kalt.
    Regentropfen glitzern in ihrem Haar.
    »Hallo, Kaitlin«, sage ich. Sie wirkt älter als vor drei Monaten, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Aber sie ist immer noch schön. Ihr Haar ist chaotisch und hoch aufgetürmt wie ein Vogelnest. Nur sehe ich jetzt etwas Grau darin, an den Schläfen. Sie hält einen Strauß weißer Rosen in der Hand.
    »Hallo, Mama«, sagt Freddy. Er sucht in der Lego-Kiste nach einem Zahnrad.
    »Hallo, Kürbis«, sagt Kaitlin.
    Stephanie springt auf. »Hey, schön, dass du schon so früh zu Hause bist.«
    Sie streckt die Hand nach ihr aus, doch Kaitlin wirft Blumenstrauß und Tasche aufs Sofa und dreht sich um, um ihren Regenmantel auszuziehen. Sie ist anders gekleidet als sonst, in hellen Farben. Jadenebel und Meeresbrandung, Sanderson 1993. Das muss Stephanies Einfluss sein.
    »Mama und Steph sind lesbisch«, erklärt Freddy nüchtern und wühlt weiter in seiner Kiste. »Früher war Mama nicht lesbisch, aber jetzt ist sie es. Sie haben Sex miteinander.«
    Stille. »Ja, davon habe ich gehört«, sage ich. Meine Kehle ist sehr trocken. Ich würde am liebsten weglaufen und Wasser trinken. In einem Café. Eine große Flasche. Mit Eis.
    »Ich bin überrascht, dich hier zu sehen, Hesketh.«
    »Ich nicht«, sagt Freddy. »Steph hat gesagt, dass er kommt.«
    »Hat sie das?« Ich kenne den Ton, in dem sie Stephanie anspricht, nur zu gut. »Hast du heute Nachmittag etwas außer Chips gegessen?«
    »Pöppöronipizzo«, sagt Freddy mit der Archaeopteryx-Stimme. Ich denke an das Chaos in der Küche, die noch nicht aufgeräumt ist. »Und es war nur eine Tüte Chips. Ich wollte Salz und Essig, hab aber Käse und Zwiebel bekommen. Kann ich noch eine haben?«
    »Nein«, sagt

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