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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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behaupten, sie wären von übernatürlichen Wesen gekidnappt worden. Die zufällig auch noch Kinder sind.«
    Professor Whybray hat darauf bestanden, nach seinem Termin im Innenministerium zu uns zu kommen. Und zu meiner Überraschung hat auch Stephanie per SMS mitgeteilt, dass sie unterwegs ist.
    »Ich frage mich immer noch, wie willkürlich das Ganze tatsächlich ist«, sage ich.
    »Komm schon. Wenn die Saboteure alle eine gemeinsame Schwäche hätten, die sie für diesen Scheiß anfällig macht, hätte das inzwischen wohl jemand herausgefunden. Du und Whybray, beispielsweise. Oder ein anderes Team in einem anderen Land. Aber so ist es nun mal nicht.«
    Ich falte weiter meine Würfel, und wir diskutieren über den Begriff »Graswurzel-Terrorismus«, den die Medien neuerdingsfür die Unruhen verwenden. Ich wehre mich aus wissenschaftlichen und linguistischen Gründen dagegen.
    »Sicher«, kontert Ashok. »Du kannst gerne Haarspalterei betreiben. Aber ich sage dir, es sieht aus und funktioniert wie eine Terrorkampagne, also können wir es auch so nennen. Zehn Flugzeugabstürze bis jetzt. Fünfzehn Züge entgleist. Lebensmittelvergiftungen. Fabriken, die defekte Ware produzieren, alles geht in die Knie. Hast du von den Verhaftungen gehört, all diese Anarchisten, die sogenannten Rädelsführer? Wie sich herausstellt, sind alle unschuldig. Genauso verwirrt wie wir alle. Du und Whybray habt doch ein Ablaufdiagramm erstellt, nicht wahr? Wie sieht der schlimmste anzunehmende Fall aus?«
    Ich gehe die eher drastischen Möglichkeiten durch: Einschränkungen von Landwirtschaft und Produktion, reduzierte öffentliche Versorgung, minimaler Personen- und Güterverkehr, unzuverlässiges Nachrichtenwesen. Bei einem Einfuhrstopp wird sich Großbritanniens Insellage negativ auswirken. Eingeschränkte und schrumpfende Lebensmittelvorräte werden zu weiteren Plünderungen, Gesetzlosigkeit, Bandenwesen, Schwarzmarkt und Regionalismus führen. Wenn die Pandemie vorbei ist, wird sich das tägliche Leben möglicherweise wieder stabilisieren. Aber es wird tief greifende Veränderungen geben. Ausgangssperre. Drakonische Gesetze. Neue Sicherheitsmaßnahmen für die Industrie. Eine opportunistische Umstrukturierung von Institutionen. Andere Regierungsformen. Einen massiven Rückgang der Geburtenrate. Eine neue Konzentration auf landwirtschaftliche Selbstversorgung und transparenteren Korporatismus sind ebenso möglich. Auf jeden Fall wird die Welt nicht mehr dieselbe sein. Ich drehe das Origami-Papier und verstärke die ersten Falten. »Falls es tatsächlich Terrorismus ist, dann ist er koordiniert«, schließe ich. »In diesem Fall frage ich mich:Wo sind die Strategie, die Kommunikation, der Zusammenhang?«
    »Und was zum Teufel ist die Botschaft?«, tobt Ashok. »Falls das Ziel nicht nur darin besteht, die Zivilisation zu bremsen und alles, was dazugehört, und … den ganzen verdammten Fortschritt umzukehren, den die Menschheit seit der industriellen Revolution erzielt hat. Zurück in die Steinzeit. Im Irak oder im Pazifischen Raum nach dem Tsunami gab es wenigstens Möglichkeiten zum Wiederaufbau.«
    »Wir haben einen Vertrag mit dem Innenministerium.«
    »Yippie yeah! Und daraus folgt was? Der Wechsel zum Kackplanetenvertrag? Nicht die Kinder sind wichtig, sondern die Fabrikarbeiter, die Bauern, die Manager. Die Erwachsenen, Herrgott noch mal! Sieh doch nur, was aus dem Wachstum wird! Wie kann etwas wieder aufgebaut werden oder auch nur überleben, wenn die Industrie in diesem Ausmaß sabotiert wird?«
    »Wer auf einem begrenzten Planeten an grenzenloses Wachstum glaubt, ist entweder verrückt – oder Ökonom.«
    »Was?«
    »Du hast eine Frage gestellt. Ich habe mit einem Zitat geantwortet. Von Kenneth Boulder, einem Berater von JFK. Kluger Mann.«
    Stephanie kommt herein. Sie wirkt aufgelöst, ihr Haar ist nass vom Regen.
    »Die Hälfte der Straßen ist gesperrt. Was habe ich verpasst?« Sie schüttelt ihre Haare und zieht den Regenmantel aus. Bei Dulux heißt dieser Grünton Herbstfarn. Sie ist dünner denn je.
    Sie hat Freddy K als Kreatur bezeichnet.
    »Ach, nur die übliche Diskussion über den Zerfall der Welt, wie wir sie kennen«, murmelt Ashok und lässt meinen soeben vollendeten Würfel in der Hand tanzen. »Und dass alles, waswir zu kennen glaubten, nur Bullshit ist, weil sich die Regeln verändert haben. Anpassen oder Arschtritt.«
    Es klopft. Die Tür geht auf, und Professor Whybray tritt ein.
    Ashok deutet auf einen Stuhl

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