Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
Vom Netzwerk:
chemische Dampf vom Ufer aufsteigt.
    Ich schaue den Professor an. Sein Gesicht ist eingefallen und blass. »Ich sollte mich kurz frisch machen«, sagt er und sieht auf die Uhr. Dann grinst er mich tapfer an. »Nun, wie hat Ihnen die Feldforschung gefallen?«
    »Überhaupt nicht. Sie hätten getötet werden können, Professor. Ich bin kein Leibwächter.« Ich fahre weiter. Fünf Minuten später parke ich vor einem gesichtslosen Gebäude in der Nähe des Parliament Square. »Und Sie irren sich. Es ist nicht wie früher.«
    Vögel hüpfen über den Gehweg. Amseln, Tauben, ein Spatz.
    Er seufzt und schaut zum Himmel hoch. Es regnet noch immer.
    »Nein«, sagt er. »Es tut mir leid, Hesketh. Das war eine absurde Bemerkung. Wunschdenken, mehr nicht. Für das ich, wie Sie wissen, sehr anfällig bin.« Er betrachtet seine Hände. »Ich möchte, dass Sie intensiv über dieses Phänomen nachdenken, Hesketh. Ich will Ihre Ideen hören, auch wenn sie noch so unorthodox klingen.« Gleich wird sein Meeting beginnen, aber er zögert, als wollte er den Wagen nicht verlassen.
    Ich bin noch immer wütend auf ihn. »Weshalb wollten Sie mich bei dieser Sache unbedingt dabeihaben?«
    Er atmet tief ein und aus. »Weil Sie den Unterschied zwischenMärchen und Fakten kennen. Weil Sie ein Materialist sind, der niemals anfällig für Aberglauben wäre.«
    »Weil Aberglaube extrem fantasievoll ist. Und weil es keine Beweise gibt, um ihn zu stützen.«
    »Das ließ sich auch über Zeitreisen sagen, bis Einsteins spezielle Relativitätstheorie infrage gestellt wurde. Jahrelang glaubte niemand, dass die Dinosaurier durch einen Meteoriteneinschlag ausgelöscht wurden. Die Idee wurde ins Lächerliche gezogen. Man spottete über Antimaterie, als sie erstmals postuliert wurde. Was, wenn auch andere Theorien neu bewertet werden müssen?« Ich werfe ihm einen Seitenblick zu: Er hat das Gesicht in den Händen vergraben. Als er weiterspricht, erklingt seine Stimme durch seine verschränkten Finger. »Und zwar nicht nur die Theorie der Zeit, Hesketh, sondern auch die des Raums und damit der Platz, den die Menschheit in beiden einnimmt?«

13
    »Falte mir etwas, das ich durch die Gegend schmeißen kann, Mann«, sagt Ashok. »Einen dieser Würfel.«
    Wir sind in seinem Büro im 18. Stock. Normalerweise ist er stolz auf die Aussicht, aber als ich hereinkomme, sagt er nur: »Willkommen in meinem verdammten Luftbunker.«
    Ich hole Origami-Papier aus dem vorderen Fach meiner Aktentasche und beginne zu falten. Jenseits des Panoramafensters breitet sich die vertraute Londoner Geometrie aus Alt und Modern aus, so weit das Auge blicken kann.
    »Ich habe es vor einer Stunde von Belinda gehört. Das Feuer da.« Ashok deutet mit dem Daumen auf den Horizont, wo eine Wolke aus verfärbter Luft in fünfzehn verschiedenen Schattierungen von Grau und Schwarz von einer gewaltigen Feuersbrunst zeugt. Der Rauch breitet sich wie ein schnell wachsender Pilz aus und bringt ständig neue Wucherungen hervor. Er sieht wunderschön aus. »Eine Sortiereinrichtung der Post. Und jemand hat die Wasserversorgung in Manchester sabotiert. Das ist die nächste Gefahr. Wer weiß, wie lange die Erdölvorräte ausreichen.«
    Ich schaue hinaus. Schmutzige Wolkenkratzer. Kuppeln und Brücken und Boote und Türme. Das starre Spinnennetz des London Eye.
    »Die Erde hat nichts Schöneres zu zeigen«, zitiere ich, während ich weiterfalte. Manchmal kann man Ashok mit einigen Versen aufheitern. »Stumpf wär ein Mensch, der hiervorübergeht und nicht erlebt des Anblicks Majestät. Wordsworth.«
    Ich reiche ihm den fertigen Würfel.
    »Hm.« Er hat heute wohl nichts für Poesie übrig. »Die ganze Sache ist global, oder? Du weißt, was das bedeutet. Was man in den Nachrichten sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Fabriken stehen still. Der öffentliche Verkehr ist fast zum Erliegen gekommen. Überall herrscht Alarmstufe rot. Die Importe brechen ein, die Exporte, alles, was von der Weltwirtschaft übrig geblieben ist. Der Kapitalismus kollabiert, Herrgott noch mal! Demnächst können wir auf den Hausdächern Kartoffeln pflanzen. Tauschhandel treiben. Ziegen auf Balkonen halten. Regenwasser filtern und Socken stopfen, wie in einer dieser beschissenen Dokumentationen über Rumänien unter Ceauşescu. Das wird zu einem verdammten Krieg, Mann. Die am höchsten entwickelten Nationen der Welt sehen hilflos zu, wie ihre Infrastruktur von innen heraus zerstört wird. Von einem … Haufen Leute, die

Weitere Kostenlose Bücher