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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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Sozialisation eines deutschen Managers?
    Nein. Wenn ich Zivildienst gemacht hätte, würde ich heute genauso hier sitzen. Ich war bei der Luftwaffe und habe Flugpläne geschrieben. Mich hat das Verhalten von einigen Kameraden erstaunt: Am ersten Tag sagen sie, »das ist ja fürchterlich hier, ich muss mich hier einordnen«. Und nach drei Monaten sagen sie: »Ja, das ist schon richtig, dass hier Ordnung herrscht.« Da habe ich gedacht: »Was geht in diesen Leuten vor? Die verändern sich unter Druck.«
    Auch Unternehmen leben von dieser Dynamik. Welchen Chef-Typus fanden Sie als Mitarbeiter gut?
    Ich habe mir die Leute, für die ich gearbeitet habe, immer danach ausgesucht, dass sie Argumenten zuhören und nicht meinen, sie seien der Chef und deswegen hätten sie Recht.
    Nach der Bundeswehr haben Sie Chemie studiert, etwas sehr Weltabgewandtes.
    Mich hat damals die Frage sehr beschäftigt, warum sich Menschen so schizophren verhalten: Menschen fahren mit Tempo 200 auf der Autobahn, obwohl sie wissen, dass das gefährlich und umweltschädlich ist. Und unter bestimmten Umständen werden sie sogar trotz besseren Wissens zu Bestien. Ich wollte verstehen, warum sich das Gehirn so irrational verhält.
    Sie wollten das Wesen der Menschen naturwissenschaftlich begreifen?
    Ich war damals sehr idealistisch, ich wollte die Welt verbessern. Und dafür musste ich begreifen, warum Menschen so sind, wie sie sind.
    Wer in Ihrer Generation die Welt verbessern wollte, ging normalerweise auf die Straße.
    Ich bin nicht so der rebellische Typ. Ich will die Dinge doch erst einmal verstehen, bevor ich aufbegehre.
    Jetzt haben Sie Einfluss, können trotzdem die Welt nicht verändern, weil Sie in Zwängen stecken – durch Ihre Kapitalgeber, die Öffentlichkeit, Ihre Mitarbeiter.
    Das stimmt so nicht. Sie müssen aus Ihrem Idealismus sozusagen einen business case machen. Ein Beispiel: In vielen aufstrebenden Ländern hatten wir Mitarbeiter-Fluktuationen von bis zu 30 Prozent – vor der Krise. Da stellt sich die Frage: Wie können wir die Mitarbeiter stärker an uns binden, ohne höhere Löhne zu zahlen? Ich dachte mir: Wir brauchen ein Konzept, mit dem wir etwas für die Kinder der Mitarbeiter tun. Wenn man die Mitarbeiter an ihrer wichtigsten Stelle – ihren eigenen Kindern – packt, erzeugt man unglaubliche Loyalität. Man tut was Gutes, tut etwas für diese Mitarbeiter und ihre Kinder. Aber man macht es am Ende auch aus betriebswirtschaftlichem Interesse.
    Manager sind nicht in erster Linie Wohltäter – im Gegenteil.
    Grundsätzlich muss man als Manager akzeptieren, dass man mit seinen Entscheidungen manchmal Menschen wehtut. Damit muss man umgehen können.
    Wie gehen Sie damit um?
    Ich gehe abends nach Hause und sage: So ist das jetzt – und denke dann nicht mehr darüber nach. Das würde mich sonst auffressen.
    Eine Ihrer ersten Amtshandlungen als Postchef war, 15 000 Menschen in einem Tochterunternehmen in den USA zu entlassen.
    Das hat mich natürlich beschäftigt. Am Wochenende vor der Entscheidung bin ich mit meinem Sohn ins Kino gegangen, um Abstand zu gewinnen. Ich hatte beschlossen, das Thema bis Montagmorgen ruhen zu lassen. In der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich schlecht geschlafen. Da fragt man sich schon mal: »Was mache ich hier eigentlich?«
    Was war Ihre Antwort?
    Die Entscheidung war richtig fürs Unternehmen. Wir können es uns nicht erlauben, dass ein Unternehmensteil jedes Jahr 1 , 5 Milliarden Dollar Verlust macht. Ich habe ja noch mehr als 450000 andere Mitarbeiter. Sie dürfen sich nicht in irgendwelchen Gefühlen verlieren. Sonst machen Sie Fehler, Kompromisse, die das Problem nur verlängern.
    Die einzige Legitimation für einen selber kann da doch nur sein, die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Wie können Sie sich da sicher sein?
    Ich trage maximal viele Informationen und maximal viele Meinungen zu dem Thema zusammen. Ob es jemanden geben würde, der das besser entscheiden könnte – das ist doch müßig. Das ist mir auch egal. Was hilft das? Er ist ja nicht da.
    Wie läuft so eine Entlassung praktisch ab? Unterschreiben Sie da etwas im Sinne von: »Es werden jetzt die und die Mitarbeiter entlassen«?
    Nein, aber ich trage die Entscheidung dem Aufsichtsrat vor und sage: »Wir müssen das machen.« Die Menschen, die davon betroffen sind, kenne ich natürlich nur im Einzelfall.
    Sind Sie damals nicht nach Wilmington gefahren, um die Entscheidung zu verkünden?
    Wir haben lange darüber

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