Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
»Vielleicht kommen unabhängige Dritte auf Ideen, die uns weiterbringen.« Schließlich bekommen beide Seiten nach ein paar Monaten Verhandlungen zwangsläufig einen Tunnelblick.
In einer Mediation gibt es eine Phase, in der nur Fragen gestellt werden dürfen. Was hat Manfred Schell gefragt?
Eine der Spielregeln ist, dass man sich zuhört und nicht immer gleich dagegen wettert, wenn ein Argument kommt, das man nicht akzeptieren will. In der Phase, von der Sie sprachen, sagt man nicht: »Nein, das ist aber nicht blau!«, sondern: »Warum magst du die Farbe blau so gerne?« Was gefragt wurde, möchte ich Ihnen nicht sagen, denn zu einer guten Mediation gehört Stillschweigen.
Mediation klingt wie eine Frauenmethode, um die männlichen Aggressionen einzufangen …
Das ist Unsinn. In Harvard, wo ich mehrere Kurse zu dem Thema besucht habe, gibt es viele männliche Professoren, die dazu forschen. Es ist natürlich kein kämpferischer Ansatz in dem Sinne: »Wir kreuzen unsere Waffen, und einer wird am Ende am Boden liegen«, sondern die Idee ist: »Wir lassen unsere Waffen im Schrank und versuchen so, eine Lösung zu finden.« Das ist nicht immer möglich. Das muss man auch klar sagen. Manche Leute sind einfach so überzeugt von ihrer Position, dass sie nicht bereit sind, auch nur ein bisschen nachzugeben.
Waren Sie sich bewusst, was für eine Profilierungschance der Streik für Sie bietet? Sie waren ständig in der Tagesschau .
Ich sah zunächst vor allem die Gefahr, dass ich als diejenige dastehe, die den Streik nicht verhindern kann. Denn wenn bei der Bahn gestreikt wird, ist das ganze Land betroffen. Wir hatten als Strategie im Haus besprochen, dass nicht Hartmut Mehdorn, sondern ich nach vorne gehe. Manfred Schell wollte natürlich die Konfrontation mit der Nummer eins im Konzern, denn das hätte für ihn mehr Prestige bedeutet. Doch ich war damals Personalvorstand und damit zuständig.
Sie sind am Ende zur Managerin des Jahres gewählt worden.
Das hatte ich nicht erwartet. Ich wäre gerne in der zweiten Reihe geblieben, das können Sie mir glauben. Es ist schon eine große Belastung, in der Öffentlichkeit zu stehen, gerade auch für die Angehörigen. Da steht man im Feuer. Das habe ich auch in meinem letzten halben Jahr bei der Bahn wieder erlebt.
Meinen Sie die Datenaffäre bei der Bahn, bei der auch Ihr Name in der Zeitung stand? Sie hatten angeblich Kontakt zu einer fragwürdigen Detektei.
Das ist nicht richtig, weil ich gar keinen Kontakt zu der Detektei hatte. Die Bahn hatte damals mehrere große Korruptionsfälle und deshalb schon frühzeitig eine eigene Einheit aufgebaut, um Korruption wirksam zu bekämpfen. Dazu hatte sie sogar den führenden Staatsanwalt auf dem Gebiet eingestellt. Ich hatte immer den Eindruck, dass die Korruptionsbekämpfung ausschließlich mit legalen Mitteln erfolgte. Auch deshalb, weil die Bahn die Fälle immer gleich an die Staatsanwaltschaft gegeben hat. Ein Staatsanwalt nimmt gar keine illegal erlangten Beweise an.
Die Spitzelaffären, die im vergangenen Jahr nicht nur die Bahn, sondern auch die Telekom, die Deutsche Bank, Lidl betrafen, zeugen von einer Unternehmenskultur, die öffentliche Kritik nach sich ziehen muss.
Das bestreite ich gar nicht. Spitzelei will ja keiner, weil es Misstrauen schürt. Aber klar ist auch, wenn es einen Korruptionsverdacht gibt, muss man handeln. Wenn man den auf sich beruhen lässt, ist das ein Straftatbestand.
Die Spitzelaffären werden sinnbildlich für einen gewissen Hochmut mancher Manager genommen, die sich an kein Gesetz mehr gebunden fühlen. Manager waren ja in Deutschland lange unantastbar. Jetzt ist das Image umgeschlagen.
Man muss wieder zu einem realistischen Bild kommen, was Manager wirklich leisten können, und die allermeisten leisten sehr viel. Klar, sie machen auch Fehler. Manager sind Menschen, die große Erfahrung und ein gewisses Talent gezeigt haben und bereit sind, sich Tag und Nacht für ihr Unternehmen einzusetzen.
Haben Sie Privatleben?
Ja, und da lege ich auch Wert drauf. Als ich noch im Ausland war, sind mein Mann und ich an allen Wochenenden immer zum anderen gependelt. Ich treffe auch regelmäßig Freunde.
Können Sie überhaupt abschalten?
Das geht ganz gut. Schwierig ist es nur, wenn ich nachts mal aufwache. Dann dreht sich das berühmte Rädchen in meinem Kopf. Aber ich habe zum Glück in meiner Studentenzeit autogenes Training gelernt. Das hilft mir dann sehr. Ich merke am nächsten Morgen, dass ich
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