Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
möchten. Das trauen sich Bewerber aber häufig nicht zu sagen, weil sie meinen, es könnte von Nachteil für sie sein. Also werden sie im Zweifel sagen, dass sie weiterkommen und Mitarbeiter führen wollen. Irgend so etwas. Doch wenn man in ein Unternehmen eintritt, kennt man die Positionen dort noch gar nicht. Man fordert da eine Antwort auf etwas, das sich ein Berufseinsteiger noch gar nicht vorstellen kann.
Kann man nicht nur das erreichen, wovon man sich eine Vorstellung machen kann, auch wenn sich die Vorstellung als falsch erweist?
Das glaube ich nicht. Ich wollte zum Beispiel bei Mobil Oil immer sehr gerne als Legal Counsel …
… Justiziarin …
… nach London. Mir wurde aber eine Stelle als Personalverantwortliche in Wien angeboten. Ich hätte sie fast abgelehnt, weil Wien eben nicht London ist. Dann hätte ich mich um mit die besten Jahre meines Berufslebens gebracht. Ich wurde in Wien Personalchefin für das österreichische und das gesamte osteuropäische Geschäft. Nach London bin ich dann später gekommen. Wenn ich meinen Plan verfolgt und die Stelle in Wien abgelehnt hätte, hätte ich als unflexibel gegolten. Ich versuche immer, jüngeren Leuten klarzumachen, wie wichtig es ist, flexibel und offen für Ungeplantes zu sein.
Sie sind früh in Frauennetzwerke reingegangen. Das macht man doch nur wegen der Karriere.
Ich war nur in einem Frauennetzwerk, dem »European Women’s Business Network«, weil ich ganz am Anfang meines Berufslebens stand und unsicher war. Viel aktiver war ich damals aber bei den Hamburger Wirtschaftsjunioren, einem gemischten Netzwerk, zwei Jahre sogar als Vorsitzende. Generell finde ich es schade, wenn Frauen sich nur in Frauennetzwerken austauschen.
Weil Frauen sich in Frauennetzwerken selbst ausgrenzen?
Da muss man zumindest aufpassen. Ich halte aber auch Männernetzwerke für wenig sinnvoll. Ich bin bei den Rotariern und weiß, dass es immer noch Rotary Clubs gibt, in denen Frauen nicht zugelassen sind. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Ging es damals in den Frauennetzwerken darum, wie man sich in der Berufswelt behauptet?
Auch. Damals hörte man noch häufiger, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, den Satz: »Die ist ja eh nur zwei, drei Jahre da. Dann bekommt sie ihre Kinder und scheidet aus.« Ich habe das zum Glück nie erlebt. Das lag sicher auch daran, dass ich in einem amerikanischen Unternehmen tätig war. Die Amerikaner waren, was die Gleichstellung von Frauen, aber auch die Gleichstellung von ethnischen Minderheiten und Altersgruppen angeht, schon viel weiter. Sie geben sich harte Regeln, die tatsächlich helfen. Zum Beispiel keine Altersangabe mehr, weder in Veröffentlichungen noch im Lebenslauf. In Deutschland steht im Lebenslauf direkt unter dem Namen das Geburtsdatum. Und wer über 50 ist, wird häufig gleich ausgemustert.
Aber gerade das amerikanische Managerideal ist sehr männlich. Der Inbegriff dafür ist Jack Welch, der ehemalige General-Electric-Chef.
Ich weiß nicht, wie hart Jack Welch im Umgang wirklich war. Er hat natürlich harte Entscheidungen getroffen. Sein Buch Winning hat mich so beeindruckt, dass ich es sogar meinen Mitarbeitern zu Weihnachten geschenkt habe. Jack Welch propagiert sehr stark Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber den Mitarbeitern, was ich für richtig halte. Wir tendieren ja manchmal dazu, alle gleich zu behandeln, aus Angst, jemandem auf die Füße zu treten. Zum Beispiel hatten wir bei Mobil Oil ein quotiertes Beurteilungssystem. Da konnten nur 15 Prozent aller Mitarbeiter zu den Besten zählen. Das heißt, man musste eine Unterscheidung vornehmen, und das war manchmal viel hilfreicher für die Mitarbeiter, als zu sagen: »Ihr seid alle gleich gut.« Ebenso unfair ist es, was ich auch erlebt habe, dass Menschen mit 55 ihren Job verloren haben und man ihnen plötzlich sagte: »Du hast das und das immer falsch gemacht.« Das hörten sie dann zum ersten Mal.
Fühlten Sie sich mal zu sehr in einen Topf geworfen?
Im Gegenteil. Schon bei Mobil Oil wurde sehr an den Stärken der Mitarbeiter gearbeitet. Es gab nie »Schwächen«, sondern immer nur »Verbesserungspotential«; die Wortwahl, die man vielleicht für eine Kleinigkeit hält, ist nicht unerheblich.
Was galt als Ihre Stärken?
Dass ich mich sehr tief reinknie. Und jemand bin, der gerne in Teams arbeitet und kein Machtgebaren ausstrahlt. Natürlich muss man auch mal ein Machtwort sprechen. Es gibt Menschen, die sehr auf Harmonie achten. Manche opfern
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