Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
auftrat. Wenn Margret Suckale in der »Tagesschau« auftauchte, war zu befürchten, dass die Republik stillstehen würde. Dann hatten sich die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL wieder einmal nicht geeinigt.
Margret Suckale, 53 , Juristin aus Hamburg, zwischen 2005 und 2008 Personalvorstand bei der Deutschen Bahn, war das Gesicht des so genannten Lokführerstreiks 2007 , des längsten Tarifkonflikts in der Geschichte der Bahn. Jetzt wechselt sie zum Chemiekonzern BASF , was in den Medien mit der Datenaffäre bei der Bahn in Verbindung gebracht wurde. Sie bestreitet das: Sie habe einen Wechsel schon länger geplant. Es ist in jedem Fall einer ihrer letzten Tage bei der Bahn, an dem man sie trifft. Margret Suckale setzt sich ans Kopfende des großen Konferenztisches, von dem aus man über den Osten Berlins blickt.
Wie erklären Sie sich, dass in den Vorständen von Deutschlands hundert größten Unternehmen zurzeit nur eine Frau sitzt?
Ich komme nicht richtig dahinter, woran es liegt. Die Offenheit, Frauen in Führungspositionen zu befördern, ist viel größer geworden. Bei der Deutschen Bahn gibt es viele Frauen in Bereichsleiterpositionen. Doch generell erreichen im Vergleich zum Anteil der Uni-Abgängerinnen noch zu wenige Frauen Führungspositionen. An irgendetwas fehlt es noch. Mein Eindruck ist, dass Frauen sich letztlich leichter abschrecken lassen.
Scheuen Frauen Machtkämpfe an der Spitze von Unternehmen?
Ich lese auch immer in den Zeitungen vom angeblichen Hauen und Stechen im Management. Zum Glück habe ich das aber nie so erlebt. Mittlerweile habe ich den Eindruck, das sind Muster, die der Öffentlichkeit gefallen.
Zum Beispiel Schell gegen Mehdorn – der ehemalige Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokführer gegen den ehemaligen Vorstandschef der Deutschen Bahn.
Selbst derjenige, der nicht in der Wirtschaftswelt zu Hause ist, kann sich etwas darunter vorstellen. In dem Sinn: »Ich habe ja auch immer Stress mit meinem Kollegen Karl.« Das kommt überall vor, das versteht jeder.
Was sind denn Ihrer Erfahrung nach die wirklichen Härten auf den Vorstandsetagen?
Die Kritik, auch von der Öffentlichkeit, die man einstecken muss. Die mal berechtigt, aber natürlich häufig auch nicht berechtigt ist.
Männer sind da unempfindlicher.
Männer nehmen die Kritik vielleicht eher in Kauf, aber sie haben auch mehr Leidensgenossen. Wer einer Minderheit angehört, und das tut man leider als Frau an einer deutschen Unternehmensspitze, fällt automatisch auf. Ich habe mir nie eingebildet, dass ich ein Vorbild für Frauen wäre, aber in der letzten Zeit habe ich öfter von Frauen »Wir bedauern dich« als »Wir beneiden dich« gehört.
Fragen Sie sich manchmal: »Warum tue ich mir das an?«
Natürlich. Ich weiß auch von vielen Führungskräften, dass sie das tun. Heute ist der Gedanke durchaus erlaubt: »Selbstverständlich ist es schön, Karriere zu machen. Aber nicht um jeden Preis.«
Würden Sie sich als Karrierefrau bezeichnen?
Nein. In meiner Generation hat das Wort einen negativen Beiklang. Karrierefrauen waren die mit den Haaren auf den Zähnen. Selbst das Wort Karriere hätte ich früher nie in den Mund genommen.
Weil es nach undifferenziertem Ehrgeiz klingt?
Für mich klingt es ein bisschen nach »Ich will mich hervorheben«. Bei Mobil Oil, einem amerikanischen Unternehmen, für das ich zwölf Jahre lang gearbeitet habe, ist mir klar geworden: Jeder hat eine »Career«. Die Career im amerikanischen Sinne bedeutet dort schlicht beruflicher Werdegang – auch wenn Sie ein Leben lang in derselben Abteilung arbeiten.
In Ihrem Fall ist es mehr.
Obwohl das nicht mein Ziel war. Früher ging es mir eher darum, wie ich Beruf und Familie vereinbaren kann. Deshalb wollte ich als Richterin in die Hamburger Justiz. In den 1980 er Jahren gab es dort schon die ersten Teilzeitmodelle. In die Wirtschaft kam ich nur durch Zufall: Ich bin zu Mobil Oil gegangen, um als Juristin das zu lernen, was man unternehmerisches Denken nennt. Viele Zufälle bestimmen den Weg, den eine Karriere nimmt. Die sollte man ruhig zulassen. Deshalb halte ich auch überhaupt nichts davon, wenn man junge Leute fragt: »Wo möchten Sie in zehn Jahren stehen?«
Eine klassische Frage im Einstellungsgespräch.
Zu Auszubildenden der Bahn habe ich einmal gesagt, dass ich diese Frage für nicht sehr intelligent halte. Eine ehrliche Antwort wäre wohl bei vielen, dass sie Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut bekommen
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