Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
gar nicht weit gekommen bin mit den mentalen Übungen, weil ich sofort wieder eingeschlafen bin.
Warum haben Sie damals autogenes Training gelernt?
Vor Klausuren war ich natürlich aufgeregt. Meine Mutter hatte schon autogenes Training gemacht und hat es mir empfohlen.
Machen Sie autogenes Training auch vor dem Einschlafen?
Abends bin ich erst einmal so kaputt, dass ich sofort einschlafe. Wenn ich nachts mal aufwache, habe ich zwei Rezepte. Entweder autogenes Training, oder ich stehe auf und lese eine leichte Lektüre.
Kommen Sie nur in diesen Nächten zum Lesen?
Ich stelle schon fest, dass meine Konzentration zum Lesen in sehr angespannten Phasen nachlässt. Aber ich habe immer Bücher, die ich gerade lese. Sehr gerne humorvolle, spannende Romane. Der Wallstreet-Roman Fegefeuer der Eitelkeiten von Tom Wolfe ist mein Lieblingsbuch. Ich glaube, Eitelkeit spielt in der Wirtschaft schon eine große Rolle.
Was ist Ihr Antrieb, Eitelkeit? Eine Lust an der Macht?
Sicherlich ist es schön, Einfluss zu haben und Dinge verändern zu können.
Es gibt ja auch ein an sich lustvolles Verhältnis zur Macht: So stellt man sich Nicolas Sarkozy vor, Gerhard Schröder. Die scheinen die großen Autos, die repräsentativen Häuser zu genießen.
So etwas brauche ich nicht. Ich habe immer in eher kleinen Wohnungen gewohnt, denn als Manager rechnet man damit, dass man umziehen muss. Ich fahre privat auch ein relativ kleines Auto.
Ist das typisch weiblich?
Weiß ich nicht. Frauen gehen jedenfalls häufig auch sehr sparsam mit Betriebsmitteln um. Ich bin heute mit der S-Bahn gekommen. Das mache ich öfters. Natürlich fahre ich auch gerne mit dem Auto. Meine Zufriedenheit ziehe ich aber aus anderen Dingen. Zum Beispiel, dass ich bei der Bahn entscheiden konnte, dass wir jährlich 500 Jugendliche, die sonst keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, auf den späteren Beruf vorbereiten. Oder dass zwölf Prozent unserer neu Einzustellenden über 50 Jahre alt waren. Die Benachteiligung von Älteren ist ein mindestens genauso gravierendes Problem wie die Benachteiligung von Frauen.
Haben Sie selbst als Frau irgendwo mal irgendeine Art von Benachteiligung erfahren?
Eigentlich nicht. Wo könnte das gewesen sein? In der Familie – überhaupt nicht. Meine Eltern standen immer hundertprozentig hinter mir.
Und haben Ihnen auch kein Rollendenken vermittelt.
Gar nicht. Sie hatten aber auch keinen übertriebenen Ehrgeiz. Wenn ich gesagt hätte: Ich studiere nicht, sondern mache eine Lehre, hätten das meine Eltern auch gut gefunden. In der Schule konnte ich nicht als Mädchen benachteiligt werden, denn es waren nur Mädchen da.
Sie waren auf einem Mädchengymnasium?
Ja, mit zehn Jahren wollte ich unbedingt auf ein Mädchengymnasium. Es lag auch am nächsten zu unserer Wohnung. Dann kam natürlich das Alter, in dem wir es langweilig fanden, weil wir dachten, wir verpassen irgendwas. Aber im Nachhinein muss ich sagen: uns hat das überhaupt nicht geschadet. Die meisten meiner früheren Klassenkameradinnen stehen heute im Berufsleben: als Ärztinnen, Juristinnen oder Lehrerinnen.
Das ist erstaunlich: Ausgerechnet Sie, die von einer Mädchenschule kommen, mögen es heute nicht, wenn Frauen unter sich sind.
Das stimmt nicht. Es gibt Phasen im Leben, in denen das guttun kann.
Geschützte Räume?
Es gibt Themen, die unter Frauen vielleicht besser besprochen werden können, beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Oder wenn jüngere Frauen sagen: »Ich werde nicht ganz für voll genommen.« Das war früher auch mal ein Thema für mich, heute jedoch nicht mehr. Themen für mich sind: Wie kommen wir durch die Krise? Wie können wir Arbeitsplätze erhalten? Welche Programme helfen uns, die Mitarbeiter zu motivieren?
Belächelt fühlten Sie sich doch schon mal?
Nein, ich wundere mich höchstens über Aussagen wie: »Frauen sind auch Menschen und müssen auch eine Chance haben.« Aber das hört natürlich irgendwann auf. Wir hatten zum Beispiel bei der Bahn einen Managerinnenclub. Ich habe den Kolleginnen empfohlen, auch männliche Kollegen aufzunehmen. Auch viele Männer sind heute daran interessiert, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ich glaube, wir kommen deswegen nicht weiter mit der Gleichstellung, weil die Frauenbeauftragte immer eine Frau ist. Ich bin mir sicher, wenn Männer häufiger Gleichstellungsbeauftragte wären und das Thema zur Chefsache gemacht würde, gäbe es mehr Frauen in herausgehobenen Positionen.
Hartmut
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