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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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hatte Evonik kurz vor dem Sommerurlaub zum ersten Mal gehört, wanderte durch die Schweiz und hatte immer richtig Probleme, mir den Namen in Erinnerung zu rufen. Das bedeutete: Evonik war intuitiv nicht sofort eingängig.
    Warum konnten Sie nicht einfach den Namen RAG behalten? Warum wählen alle Unternehmen diese wohlklingenden, nichtssagenden Namen wie Arcandor oder Aventis?
    Ein Name muss mehreren Bedingungen gehorchen: Er darf in keiner Sprache ein Schimpfwort und muss in allen Sprachen lesbar sein, außerdem darf kein Unternehmen der Welt bereits so heißen. RAG heißt auf Englisch Putzlappen. Das nur nebenbei. Mir persönlich hätte vielleicht etwas Traditionelleres vorgeschwebt, aber ich bin Numeriker und weiß meinen Geschmack zu relativieren. Wir haben damals zehn Namen schützen und testen lassen. Ein Namensexperte referierte anschließend, dass der Name Evonik männliche Kraft ausstrahle. Da musste ich schon schmunzeln.
    Was meinen Sie mit Numeriker?
    Ich bin weniger ein Gefühlsmensch, weniger intuitiv. Ich habe es schon gerne präzise, mit Zahlen. Zahlen sind mir eingängig. Ich kann mir Zahlen sehr gut merken, Zahlen gut interpretieren. Das ist halt ein Numeriker.
    Bedeutet die Fixierung auf Zahlen nicht ein Ausblenden all dessen, was sich nicht quantifizieren, nicht messen lässt?
    Ohne Messbarkeit der Auswirkung dessen, was Sie tun, geht es im Leben nicht. Jeder tritt ja, übertrieben gesagt, an, um die Welt zu verbessern. Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie sich selbst dem Gefühl hingeben: ich habe die Welt verbessert, aber nichts davon zu merken ist. Nehmen Sie zum Beispiel die Reduzierung der CO 2 -Werte. Da müssen Sie schon messen, wie viel CO 2 in der Atmosphäre gespeichert ist. Einfache Sache. Letztlich eine Zahl.
    War das Ihr Motiv, in die Politik zu gehen: die Welt zu verbessern?
    Ich wollte ja gar nicht in die Politik, jedenfalls nicht in die erste Reihe. Ich wollte ein Kästchen im Kanzleramt, auf dem stehen sollte: Berater Müller. Schröder hatte mich nach Bonn bestellt, ohne mir zu sagen, um was es ging. Im Autoradio hörte ich dann, dass ich Wirtschaftsminister werde. Ich war wirklich sehr überrascht. Ich wollte in der Wirtschaft bleiben. Das wusste Schröder.
    Wenn man von Taktiken spricht, ist das die Überrumplungstaktik.
    Nicht mit einem zu reden, fand ich nicht so stark. Nun gut, Schröder hatte an dem Tag schon einen Minister verloren, Jost Stollmann. Und dann wollte er wohl nicht noch mit einem anderen in lange Diskussionen eintreten.
    Dann standen Sie in der ersten Reihe. Sahen Sie das als Managementaufgabe, oder hatten Sie ein politisches Sendungsbewusstsein?
    Hängen wir es tiefer: Wenn ich meine, etwas läuft falsch, versuche ich es zu begradigen. Ich bin relativ früh dafür eingetreten, dass das oberste Ziel der Energiepolitik nicht die Angebotsausweitung sein sollte, sondern die Nachfrageeindämmung. Das heißt: Energie ist nicht unendlich, also müssen wir Energieeinsparpolitik betreiben. Bereits Anfang der 1970 er Jahre habe ich darüber mit Abgeordneten zu diskutieren begonnen. Dabei bin ich mit Erhard Eppler von der SPD und mit Herbert Gruhl von der CDU zusammengekommen. Die wurden in ihren Parteien nicht ernst genommen. Kühne These: Hätte man diese Leute ernster genommen, hätte es die Grünen nicht gegeben.
    Sie arbeiteten damals bei RWE . Waren Sie Lobbyist?
    Mir ging es um meine Überzeugung, was manche Abgeordnete von der CDU nicht verstanden. Die sagten: Und woher bekommen Sie Ihr Gehalt? Von der Angebotsausweitung von Energie! 1978 gab es einen CDU -Parteitagsbeschluss, da steht unter dem Kapitel Energie der bemerkenswerte Satz: Wirtschaftswachstum ist ohne laufenden Energiezuwachs unmöglich. Das war das Ende meiner Bemühungen bei der CDU . Total gescheitert.
    Wie erlebten Sie dann als Minister die früheren Kollegen aus der Wirtschaft?
    Leider hat sich nur sehr selten einer von ihnen kooperativ in die Wirtschaftspolitik eingebracht. Stattdessen kamen manchmal Vorstandsvorsitzende einen Tag bevor ein Gesetz im Bundestag verabschiedet werden sollte, im Ministerbüro vorbei und erklärten mit der ganzen Aura ihrer Position, dass die Welt untergeht, wenn das Gesetz morgen im Kabinett verabschiedet wird. Da habe ich gesagt: Da hätten Sie vier Monate früher kommen sollen. Auf solche Vorstandsvorsitzenden kann ich nur mit Unverständnis schauen: Die wissen nicht, wie ein Gesetz entsteht. Spätestens wenn an einem Montagabend die Staatssekretäre über einen

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