Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
stromlinienförmigen, austauschbaren Typen, beiderlei Geschlechts, die immer nur mit dem Computer unterm Arm durch die Welt jetten. Ich glaube, dass viele dieser Kilometer durch Nachdenken ersetzt werden könnten. Persönliche Kontakte muss man natürlich pflegen. Selbstverständlich bin auch ich zu einer Werkseröffnung ins Ausland geflogen.
Anderes Gegenbeispiel: Thomas Middelhoff, einst Chef der Kaufhausholding Arcandor, saß keinen Kilometer entfernt von Ihnen hier in Essen und wirkte doch wie aus einer anderen Welt.
Ich will nichts gegen Middelhoff sagen, aber es wäre mir nicht so angenehm, wenn von mir als Einziges eine gestärkte Doppelmanschette in Erinnerung bliebe.
Der globalisierte Manager ist Ihnen zutiefst suspekt …
… als Attitüde. Was wir als Unternehmer immer sehen müssen, ist, dass wir letzten Endes – das klingt sehr hart – rausgehen aus Europa. Wir leben vom Wachstum. Das, was Nachfrage schafft, sind die Kopfzahlen auf der Erde. Die Kopfzahlen wachsen in Europa nicht mehr. Und die Produktionsfaktoren – Arbeit, Kapital, Natur – sind andernorts auch billiger. Das heißt nicht, dass ich Umweltdumping in China machen will.
Sie haben sehr häufig in Unternehmen gearbeitet, für die die Gesetze der Globalisierung nicht galten. Mit der Deutschen Bahn können Sie schlecht nach China gehen.
Wieso nicht? Den Anfang der Kooperation mit China hat die Bahn erfolgreich gemacht. Ich bin ja nur zufällig im Aufsichtsrat der Bahn. In meinem Leben war vieles Zufall. Da starb Friedel Neuber, der war im Aufsichtsrat der Bahn …
… Neuber war als jahrzehntelanger Vorstandschef der West LB eine große Unternehmerfigur des Ruhrgebietes …
… er starb aus heiterem Himmel. Gott sei es geklagt. Ich mochte ihn sehr. Mit einem Mal war ich im Aufsichtsrat der Bahn. Und kaum habe ich eine Sitzung mitgemacht, tritt der Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dafür kann ich auch nichts. Inzwischen ist die DB AG Europas größtes Logistikunternehmen und eines der größten der Welt.
Auch die in der RAG zusammengefassten Steinkohlegruben liegen unverrückbar an der Ruhr und im Saarland. Überdies werden sie vom deutschen Staat mit Milliarden subventioniert.
Aber meine Aufgabe als Vorstandschef bestand doch gerade darin, aus Teilen der RAG und einigen Zukäufen einen ganz normalen Konzern zu schmieden, der weltweit agiert und auf dem Kapitalmarkt bestehen kann. Unsere Idee war, dass in einem ersten Schritt ein Investor einsteigt, der einen ordentlichen Anteil an Evonik erwirbt und damit einen ersten wichtigen Beitrag leistet, die Folgekosten des Steinkohlebergbaus zu begleichen. So ist es ja auch gekommen.
Für Ihr taktisches Geschick bei der Schaffung des Konzerns, der Evonik getauft wurde, wählte Sie das Manager-Magazin zum Manager des Jahres 2008 . Was macht Sie aus als Taktiker?
Weiß ich nicht. Wir hatten jedenfalls einen minutiösen Plan, den wir immer wieder durchspielten. Sie müssen sich in die Beweggründe und die Gefühlswelt der anderen hineinversetzen. Insofern müssen sie als Manager hoch sensibel sein.
Die Umsetzung Ihres Plans stand mehrmals auf der Kippe.
Die Anteilseigner der RAG , die Politik und die Gewerkschaften haben sich zunächst aufgeschlossen gegeben, passiert ist aber trotzdem nichts, denn ihre Interessen waren zu gegensätzlich. Erst nachdem unsere Pläne öffentlich waren, kamen die nicht mehr raus. Viele haben dann zwar ein halbes Jahr nicht mehr mit mir geredet, aber auch das muss man einkalkulieren.
Für gewöhnlich versucht man in der Wirtschaft, schneller zu sein als der andere. Sie scheinen eher auf Zeit zu spielen, die anderen ins Leere laufen zu lassen. Ist das vielleicht Ihre Taktik: die Entdeckung der Langsamkeit?
Ich bin von Haus aus so: In Hektik bringt mich so schnell nichts.
Eine ehemalige Freundin hat über Sie gesagt, sie hätten das Gemüt eines Fleischers …
… eines Fleischerhundes. Mich regt nichts so leicht auf. Ich habe von Kindesbeinen an immer die Einstellung gehabt: Entweder es geht gut, oder es geht schief.
Ihr Büro bei Evonik nannten Sie »die entschleunigte Zone«.
Ich glaube nicht, dass unter Hektik optimale Entscheidungen fallen. Es fallen nie optimale Entscheidungen, aber unter Dauerhektik ist Suboptimalität programmiert. Kennen Sie Lichtenberg, Göttinger Philosoph? »Sage, was du denkst. Aber denke vorher.«
Wie gefällt Ihnen als Linguist eigentlich der Name Evonik?
Ich weiß nur noch, dass er sich mir schwer eingeprägt hat. Ich
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